QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Waxing? ...„Mein Fell gehört mir!“

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Blunzi© BEAUTY.at

Diesmal geht es hier um ein ganz haariges Thema: Körperhaar. Und dies ist zugleich auch die beste Gelegenheit, Ihnen Blunzi vorzustellen! Blunzi ist die bezaubernde, pechschwarze Redaktionskatze von BEAUTY.at. Eigentlich heißt sie ja Louise. Ihre Beinchen sind aber recht kurz für einen so vornehmen Namen. Deshalb nennen sie alle Blunzi.

Wie Katzen so sind, so wird auch Blunzi in Zukunft auf diesen Seiten immer wieder irgendwo auf leisen Pfoten auftauchen, oder Ihnen oftmals auch völlig unvermutet entgegenspringen. Das süße schwarze Tierchen gibt auch seine Kommentare ab; und wer weiß, vielleicht hat es sogar einmal seinen eigenen Blog, den „Blunzi-Blog“.

Wir ahnen es – Blunzi hat das absolute Zeug zum Star! Sie will die berühmteste Katze Österreichs werden. Helfen Sie ihr dabei! Sie hat immer eine klare Meinung. Und weil es sogar in ganz Brasilien nicht eine einzige Katze gibt, die auf Brasilian-Waxing steht, fordert Blunzi: „Mein Fell gehört mir!“ Recht hat die Katze.

Bei Menschen ist das natürlich anders. Wir wollen unser Körperhaar weg haben; ganz besonders wenn es im Intimbereich wächst. Deshalb depilieren, rasieren und wachsen wir seit längerem schon gegen unser Fell an. Angeblich ging der Trend zur Glattrasur von der amerikanischen Pornoindustrie in den 80er-Jahren aus; und wenn Sie auf Erotikprofilen surfen, so lesen Sie ohnehin immer, (wirklich immer!) unter des Rubrik „Geht gar nicht: „Intimbehaarung“. Sätze, wie jener des Dichters Rainer Maria Rilke „Mir wächst ein Baum in meinem Schamgehölze“ sind also hoffnunglos veraltet. Genau wie das Gemälde „L’origine du monde“ (Ursprung der Welt) von Gustave Courbet. Googeln Sie das Bild - es hängt im Musée d’Orsay in Paris - und Sie greifen instinktiv zum Rasierapparat.

Kahlschlag also herrscht im Schamgehölz. Gut so! Denn das ist ja auch der Sinn der vielen Waxing-Studios. Zum Beispiel bei mir in der Straße: In dem kleinen Laden an der Ecke ging es schon immer um Fleisch. Früher verkaufte mein Fleischhauer dort Würste, Schnitzel, Steaks und Leber. Der Fleischhauer gab – weil tot oder teuer – auf und ich rätselte, welcher Mobilfunk-Anbieter nun den alten Laden anmieten würde? Jetzt steht „lass waxen statt wachsen“ über dem Eingang. Ein Enthaarungsstudio hat eröffnet. Eines von vielen, die sich darum bemühen, dass der Mensch auch äußerlich glatt sei. Die Läden heissen „Cleanskin“ oder „Hairfree“, „Waxing4you“ oder „Senzera“. Weil in Waxing-Studios offensichtlich schöne Frauen arbeiten, betrat ich, ihr Beauty.at-Kolumnist, das ehemalige Fleischhauergeschäft. Sie, liebe Leserin wissen ja inzwischen: Ich bin weder schwul noch Bodybuilder und übrigens seit dem dritten Lebensjahrzehnt ergraut.  
    
Das Waxing-Studio wirkte auf mich clean und schick, es war wie beim Society-Friseur oder in der Promi-Klinik. Meditative Spährenmusik umspülte meine Ohren. Der Laden war rappelvoll. Darunter viele Männer; Anzugträger, die sich offensichtlich mal eben in der Mittagspause ihrer Haare entledigen wollten. Mädels in weissen Kitteln lächelten auch mich an: „Rücken, Pospalte, Schamhaare?“ „Epilation mit Bienenwachs oder Pinienharz?“ oder doch „lieber Verödung der Haarwurzeln mittels Laser oder Pulslicht?“

Ich habe weder Haare auf dem Rücken, noch viele auf der Brust. Ich sehe nicht aus wie Martin Walser, dem es buschig aus Nase und Ohren sprießt, noch erinnere ich an Sean Connery, der von hinten an einen Braunbären von vorne erinnert. Ich bin auch kein Rennradfahrer oder Olympia-Schwimmer, die sich berufsbedingt rasieren müssen. Ich rasiere mein Gesicht täglich nass und wenn es mir sonst irgendwo auf den zwei Quadratmetern Haut meines Körpers zu haarig wird, muß die Nagelschere ran. Doch das scheint nicht zu genügen. Nach einer Studie im Auftrag des Klingenherstellers Wilkinson wünschen 61,9 Prozent aller Frauen, dass sich Männer auch im Intimbereich rasieren. Verständlich! Keine Frau will, dass ihr Kräuselhaare in den Mund geraten, die lenken nur vom blowjob ab.

Jasmin im Waxingstudio fragte mich ob ich „Brazilian Man“ (Entfernung der Schambehaarung an Hodensack und Peniswurzel, nicht aber über dem Penis) oder „Brazilian Hollywood Man“ (Entfernung der gesamten Schambehaarung) wünsche, oder eine Befreiung von den lästigen Achselhaaren? Das heisse dickflüssige Spezialbienenwachs würde sie mit einem kleinen Holzspachtel direkt auf die behaarten Körperstellen auftragen, abkühlen lassen und dann mit einem Ruck entfernen. Das sei Brazilian Waxing pur.

Die Haut mit Heisswachs zu behandeln, macht praktizierenden Sadomasochisten sehr viel Spaß. Also, der von Kopf bis Fuß unbehaarte Mann bleibt mir weiterhin nur als beneidenswerter Pornodarsteller bekannt. Ich floh aus der ehemaligen Fleischhauerei. Floh aufs Land, in die Provinz, wo die Luft gut und die Welt noch in Ordnung ist und wo die Menschen wachsen lassen, was wächst.

Von wegen wax in the city! Auch die Provinz enthaart sich. Auch hier erklärt sich das Thema körperkulturhistorisch: Waxing ist eben nicht nur ein Resultat der Pornowelle aus Amerika und folgt dem ästhetischen Anspruch Hollywoods. Nein, der babyglatte Körper ist auch hygienischer, weshalb ihn schon die alten Ägypter bevorzugten. Eine bezaubernde Depiladora war bereit, mir das Heisswachs mittels Gazestreifen (die moderatere Form des Brazilian Waxing) auf meiner Brust aufzutragen. Sie sagte „atme jetzt ganz tief ein und wenn ich reiss’, mußt du ausatmen.“ Oh, das tat weh! Und tiefer lass ich sie nicht ran. Also arbeite ich weiter mit meinem Nassrasierer in der Duschkabine – und ich sage Euch, ich habe wahnsinnige Kastrationsangst dabei. Blunzi, Du geliebte, kleine, schwarze Katze, Du weißt ja gar nicht, wie gut Du es hast.

#quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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