QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Fetischismus

Die seltsame Liebe zur Tragtasche

Fetischismus im Spätkapitalismus – Papier geadelt vom Designernamen! Oder, wie ich die seltsame Liebe mancher Frauen zum Transportbehältnis mit exklusivem Aufdruck zu verstehen lernte.

Fetischismus im Spätkapitalismus© iStock_Dmitrii Kotin


Schwule haben’s einfach besser : Man kann sich auf Seilschaften bei der Karriere im Kulturbetrieb verlassen und immer in einer todchic eingerichteten Wohnung leben. Und weil auch die Anmache nicht so kompliziert ist, haben die Jungs eine Promiskuität, die uns Heteros nur staunen und träumen lässt.

Schwule sind für Frauen auch die besseren Männer: Sie haben einen Sinn für Ästhetik und machen jeden GucciPradaFendiDolce-Marathon mit, ohne außer Atem zu kommen. Sie meinen es einfach ehrlich, wenn es darum geht, welche Lippenstiftfarbe zu welchen Schuhen passt. Resultat von soviel verständnisvoller Nähe: Sie kommen an Frauen viel näher ran. Beneidenswert nah. Sie verstehen das weibliche Geschlecht ganz einfach intuitiv und für dieses Verständnis muss die Frau nicht einmal Maria Callas, Marianne Rosenberg, Evelyn Künneke oder Zarah Leander heissen.  Ein begeistertes Kompliment ist was es ist. Keine große Lüge (wie bei einer Freundin) und keine kleine Lüge (wie bei einem Mann) ist, sondern ganz einfach: die Wahrheit.

Was mich in diesem Zusammenhang allerdings wirklich an Frauen fasziniert, ist ihre Liebe zu den Trophäen ihrer Shoppingexzesse. Tom Hanks hat ja einmal despektierlich geäußert: „Frauen sind das stärkere Geschlecht. Wie sollten sie sonst die vielen Einkaufstaschen tragen?“ Nun ja. Wer aber glaubt, ich meine mit „Trophäen“ den schnöden Inhalt dieser Shopping Bags, der irrt gewaltig. Ich meine der Frauen unergründliche Liebe zu den "Sackerln" an sich!

Gemeint ist damit das „Luxussackerl“! Das absolute Add-on zum Kleid, zu den neuen Schuhen, zum Mantel, zum Parfüm. Die Hülle für den Transport vom Shop zum Kleiderschrank. Sie ist meist ziemlich groß, hat eine Kantenlänge von mindestens zwei Metern und die arme Frau muß immer den Arm anwinkeln, damit dieses schicke Verpackungs- und Transportmonster nicht auf dem Gehweg schleift. Doch egal: Wichtig ist, welche Aura  von solch einer Tragtasche ausgeht, auf dem Louis Vuitton steht. Oder Chanel. Oder Hermes. Oder Prada. Oder Dior. Oder, oder, oder... Diese Luxussackerl (aus festem Papier!) werden zuhause, liebevoll gefaltet, als habe die Frau bereits erfolgreich einen Origami-Kurs an der Volkshochschule absolviert. Dabei würde gerade der Papiermüll ganz wunderbar in diese großen Tüten passen. Nachdem fürsorglichen Falten der Taschen in ihren einstigen Urzustand werden sie dann der bereits bestehenden Sammlung hochwertiger Einkaufstüten einverleibt. Sie verschwinden entweder in der größten dieser Spezies oder aber sie werden flach in riesigen Schubladen gelagert.

Heterosexuelle Männer verstehen so etwas nicht. Und wenn Mann sich aus Liebe oder einem anderen seltsamen Grund doch intensiver damit auseinandersetzt, dann wird ganz schnell klar, dass es sich bei dieser Luxussackerlsammlung pathologisch gesehen um einen mittelschweren Fall von Fetischismus handelt: Die Frau folgt ihrer Liebe zum beseelten Gegenstand! Egal, ob dieser Gegenstand nur aus Papier besteht; es ist ja ein Logo, ein Label, ein Designername draufgedruckt.

Ein solch edles Luxussackerl kommt selten ein zweites Mal zur Verwendung . Frauen, die sich (durch eigenen oder den Verdienst des Ehegatten) Shopping-Exzesse in Boutiquen leisten, die „solche“ Luxus-Tragtaschen für den Transport wohlfeil bieten, haben es wirklich nicht nötig anzugeben. Und trotzdem denkt so manche Frau über eine Zweitverwertung ihrer papierenen Eitelkeitsobjekte nach, wenn sie mit ihren zarten, gepflegten Händen über den flachgefalteten Fetisch streicht... Natürlich: Sie könnte darin ja jemandem ein Geschenk mitbringen? Aber eigentlich ist das doch peinlich! Sie könnte das Luxussackerl auch im Sommer zur Badetasche umfunktionieren: Doch nein, das wäre ja noch peinlicher! Vor allem, wenn irgendwann das Sonnenöl durch das irgendwann unansehnlich verknitterte Papier dringt. In Favoriten mag ein Douglas-Sackerl noch ein Statusobjekt sein und bis zum Zerreißen immer wieder beim Einkauf verwendet werden; doch in Hietzing, Döbling oder gar in der Inneren Stadt, da geht „das“ eben gar nicht. Nein! Nein! Und nochmals nein!

 Und so wachsen die liebevoll gesammelten Luxussackerln zu einem riesigen Berg Altpapier an und nur Eingeweihte verstehen, dass eine Frau sich von einer Tragetasche aus Papier, auf der zum Beispiel der Name Prada prangt, einfach nicht trennen kann. So sind Frauen, oder? Ach was!

Ich jedenfalls kann mich auch nicht von der Brooks Brothers-Tragtasche aus New York trennen, in der mein Hemdenkauf versenkt wurde; und jenes Sackerl, in dem ich danach meinen Schal von Barneys ins Hotel trug, das werde ich auch nicht wegwerfen. Jetzt hängt’s an der Türklinke vom Badezimmer und erinnert mich an große Taten. Frauen, ich versteh euch!     #quietwordspascalmorche      

Pascal Morché

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