QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
„Ey, wie schmeckt der Coffee süsse! Lieblicher als tausend Küsse!"
Kaffee ist ein Frauen-Thema – außer Frauen machen Yoga und wollen unbedingt noch länger leben.
Auf der ständigen Suche nach einem Thema, das die komplexe, binäre Frau-Mann-Welt mit dieser Kolumne erklären möge, kam meine Chefin auf die Idee: Schreib mal über Kaffee und Frauen! Wahrscheinlich hofft sie, dass Ihr treuer beauty-at-Kolumnist mit diesem Thema nicht, wie sonst so häufig, anzüglich würde. Ich und anzüglich? Nun, ich empfehle „BWV 211“ (googlen und schon sehen Sie, das ist keine Kaffeemaschine und es erschließt sich auch der altmodische Titel dieser Geschichte). Und sonst? Frauen, die Kaffee schwarz trinken, haben früher dazu Gauloises (filterlos) geraucht und sahen aus wie in einem Film von Louis Malle. Sie trugen Nahtstrümpfe und keine zusammengerollte Yogamatte unterm Arm. Das waren herrliche Zeiten – solche Frauen verursachten, wie auch schwarzer Kaffee, Herzrasen und den kann man nicht mähen.
Nun aber: Frauen gibt es seit etwa 300.000 Jahren. Die erste, halbautomatische Kaffeemaschine erst seit 200 Jahren. Wie die Menschheit 299.800 Jahre ohne Kaffeemaschine lebte, ist nicht überliefert und dass sie nur aus TeetrinkerInnen (wir sind politsch korrekt) bestand, darf bezweifelt werden. Ich werde hier nicht zur Türkenbelagerung Wiens und zum Migrationshintergrund samt Bleibeperspektive eines importierten Genußmittels abschweifen. Nur soviel: Früh im 19. Jahrhundert tüftelten findige (Männer!) daran herum, wie Kaffeepulver zum aromatischen Genuss in der Tasse führen kann. 1819 erblickte in Paris die Ur-Kaffeemaschine, der „Perkolator“ (lat. percolare = seihen, filtern) das Licht der Küchenwelt. Allerdings explodierten die ersten Kaffeemaschinen. Der Job in der Küche war damals für Frauen noch gefährlicher als heute.
150 Jahre später dann ein großer Schritt für die Kaffee trinkende und trunkene Menschheit! 1954 kommt der „Wigomat“, die erste „Filterkaffeemschine“ auf den Markt: Erhitztes Wasser tröpfelt bei stets exakter Brühtemperatur von 94°-95°C über einen mit Kaffeepulver gefüllten Filter. Nicht nur im trauten Heim, auch in jedem Büro bekam nun die kleinste Kaffeeküche eine bisher ungeahnte Herdanziehungskraft und revolutionierte, als Zentrum der Kommunikation und sexuellen Übergriffe, die Arbeitswelt.
In den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts rüsteten dann Designästheten und selbsternannte Kaffeekenner ihre heimischen Küchen deutlich auf. Sie gönnten sich mittels Druck funktionierende Espressomaschinen von Gaggia oder Pavoni. Voller Chrom, mit blitzenden Schräubchen, Druckmessern und Ventilen ähneln sie fast einer Harley Davidson und wurden deshalb perfektes Männerspielzeug und optimaler Hingucker für Status-geweihte Küchen. Mit dieser Angeberei und technischen Aufrüsterei war auch die Zeit der berühmten „Moka“ von Bialetti, jener italienischen Design-Ikone unter den einfachen Espressomaschinen vorbei. Konsequenterweise wurde Renato Bialettis Asche auch nicht in einer gewöhnlichen Urne, sondern in einer seiner Kaffeekannen bestattet.
Nun aber endlich: George Clooney! Der Cary Grant/James Stewart-Klon trieb im neuen Jahrtausend Augen und Gaumen ins absolute Kaffee-Lifestyle-Delirium. Nespresso hatte gekreißt und die Kapsel geboren, George Cloony als Testimonial gewonnen und der Welt ward endgültig bewiesen, dass man mit klugem Marketing, tollem Design und edlen Shops auch das Massenprodukt Kaffee zum Luxusartikel hochjubeln kann.
Gesundheitlich ist Kaffeetrinken natürlich – wie alles was glücklich macht – zumindest bedenklich. Zwar gibt es dekoffeinierten Kaffee, aber das ist so etwas wie Opern mit Übertitel oder Sex mit Kondom. „Richtiger“ Kaffee führt zu verkalkten Arterien, erhöhtem Blutdruck, Schlafstörungen, Boogie-Woogie tanzenden Stresshormonen, trockener Haut, Krebs, Tod! Und das Allerschlimmste: Kaffee entzieht uns Wasser, auch wenn Franz Kafka behauptete „Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.“ Außerdem gilt: Frauen nehmen Süßstoff (und auch den nur angewidert), denn alles Süße macht die Figur dick und das Leben kurz. Der Kenner (und die Kennerin!) hat heute selbstverständlich seinen Lieblingsbarista – meiner ist die Hofer Hausmarke „Amaroy“ oder von Penny „Der Würzige“.
Ich weiß, ich bin ein Barbar; aber das wissen Sie, mir geneigte Leserin, nach so vielen Kolumnen ja ebenfalls. Sex in Zeiten von #metoo ist wie Liebe in Zeiten der Cholera. Doch, no risk no fun, ich werde schöne Frauen auch weiterhin ansprechen und auf einen Kaffee einladen. Was könnte verfänglicher sein und was mehr verfangen? Und wer mich nicht mag, sei dessen gewiss: Ich gönne jedem das Doppelte von dem, was er mir wünscht. Für manche ist das ein Segen, für andere ein Fluch.
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
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