QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Strümpfe: Zarte zweite Frauen-Haut

Endlich ist Herbst! Endlich tragen Frauen wieder Strümpfe.

Zunächst die gute Nachricht: Veronica Ferres lässt die Welt wissen „Meine Kinder sagen, ich bin die perfekte MILF.“ Diese Buchstabenkombi steht übrigens auch für „Moro Islamic Liberation Front“, eine islamistische Bewegung auf den südlichen Philippinen. Aber das lassen wir jetzt mal lieber weg.

Istock© iStock_artursfoto

Veronica ist blond; ein Synonym für MILF ist übrigens „Cougar“; so ganz habe ich das nie verstanden, denn Cougars sind nicht blond, sondern silbergrau – aber ihr Jagd-Instinkt wird mit zunehmenden Alter immer ausgeprägter. Nun, eigentlich wollte ich ja über Strümpfe schreiben. Wie bekomme ich von der MILF den Bogen zu Strümpfen? Ha, 50plus: Spät-Sommer des Lebens, Herbst des Jahres! Ist es nicht herrlich, dass die heißen Tage vorbei sind? Dass Menschen nicht mehr halbnackt durch die Städte laufen und wir nicht mehr die schmatzenden Flip-Flop-Geräusche vom Schweiß angeklebter Fußballen in den Fußgängerzonen hören müssen? Frauen tragen wieder Strümpfe. Ich bin glücklich, denn ich liebe Frauen; immer und besonders, wenn sie bestrumpft sind.

Natürlich gibt es auch erotische Desaster. Zum Beispiel, wenn eine unglaublich tolle, plakativ gestylte und hocherotisch, bis zum Hals in hautenges Leder geknallte Frau ihre Overknees auszieht und an ihren Füßen ausgewaschene Ringelsocken zum Vorschein kommen. Das ist Erotik backstage! Und der Backstagebereich ist eben immer desillusionierend. Aber ich will ja hier über das Schöne an Strümpfen, Füßlingen, Socken, Strumpfhosen und dergleichen berichten. Nylons werden für Frauen erst gefährlich, wenn sie über die Köpfe von Bankräubern gezogen werden, oder wenn sie eine Laufmasche haben. Ich finde Laufmaschen übrigens sexy, sie deuten irgendwie auf Liebeskampfspuren hin. Laufmaschen mit klarem Nagellack stoppen zu wollen, zeigt mir nur, was Frauen als jene „Not“ empfinden, die sie derart erfinderisch macht. Also, eine Laufmasche hat doch mehr Sexappeal als die glänzenden Strumpffarben „apricot“ oder „champagner“. Mal ehrlich, derartige Strümpfe tragen nur Frauen, die einen Feuerwehrball in der Provinz als gesellschaftlichen Höhepunkt kennen und sich Piccolo Sekt gönnen.

Uns Männern bleibt es ein ewiges Geheimnis, wieviel Hightech in Frauenstrümpfen steckt, wie ausgetüftelt und durchdacht dieses Kleidungsstück ist. Strumpfhosen zum Beispiel! In Strumpfhosen sind Frauen schon hineingewachsen, als sie noch Kinder, noch kleine Mädchen waren. Schon vor dem ersten Schultag werden sie vorbereitet auf ein Leben, das bis zur Hüfte im Schlauch stattfindet. Auch irritiert uns Männer das Anziehen einer Strumpfhose mittels Körperbewegungen, die sich für uns nicht aus Yogaübungen erschließen, sondern aus der tragenden Rolle des Froschweibchens im Weihnachtsmärchen. Der Beinespreiz bis eine Strumpfhose richtig sitzt, ist außergewöhnlich, denn er bedeutet Froschweibchen-Bewegungen, bis sich die eingearbeitete Membran im Schritt der Strumpfhose an selbigen der Frau presst – ist denn jede Strumpfhose auf undichte Stellen hin konzipiert? Und noch etwas: Ich finde es auch immer sehr befremdlich, „eingesetztes Höschenteil“ auf einer Strumpfhosenverpackung zu lesen.

Ein Wort, das mir gar nicht gefällt, ist übrigens „blickdicht“, schließlich bin ich Voyeur. Also nicht pathologisch gesehen, liebe Leserin, aber ich schaue eben gerne hin. Augenärztlich bedeutet blickdicht für mich die Vorstufe zu blind. Es ist für uns Männer ohnehin eine Geheimsprache, in der die Stärke von Strümpfen bemessen wird: 40den..., 50den... – auf jeden Fall ballen Frauen ihre Hand zur Faust und stecken diese zum Prüfen von Strumpfstärke und Strumpffarbe in das Objekt ihrer Begierde. Dieses Strumpf-Fisting lässt sich in allen Strumpfabteilungen beobachten und zeigt mir, dass Frauen eben doch das Risiko scheuen. Nur bei Netzstrumpfhosen erübrigen sich solche Tests mit der Faust. Die gefüllten, gespannten Partien dehnen sich über der Haut und über den wenig gedehnten Körperpartien zieht sich das Netz zusammen – wer jetzt nicht versteht, was graphische Schönheit bedeutet, der bleibt ein armer Tropf. Doch die Netzstrumpfhose ist bekanntlich noch zu überbieten was ihre erotischen Reize betrifft.

„Die Strumpfnaht ist die Strickleiter männlicher Phantasie“, schrieb Kurt Tucholsky. Damit wäre ihm heute Berufsverbot und ein #metoo sicher; Woody Allen könnte nämliches noch erleben, schließlich bekannte er „als ich jung war, träumte ich davon, der Seidenstrumpf von Ursula Andress zu sein“. Wir alten weißen Männer haben ausgeträumt – und Frauen, die ein Vergnügen daran haben, Nahtstrümpfe zu tragen, werden ohnehin immer weniger. Zu den großen zivilisatorischen und kulturellen Errungenschaften der Menschheit gehören nicht nur Beethovens letzte Streichquartette, die Tatsache mit Messer und Gabel zu essen, sondern auch die Erfindung halterloser Frauenstrümpfe.

Eine Frau mit einem Strapsgürtel, welcher möglichst noch neckisch mit Spitzen verziert ist, habe ich nie ernst nehmen können. Das sieht doch irgendwie aufgezäumt aus wie ein Lippizaner bei der Dressur; das ist Klimbim, irgendwie nicht klar, nicht pur und straight. Strumpfbänder gehören ins Modemuseum und nicht ans Frauenbein; kitschig, neckisch und dämlich werden sie auf Hochzeiten gerne unter dem Hochzeitskleid der Lächerlichkeit preisgegeben. Halterlose, gebenedeit sei ihr Erfinder, schafften Abhilfe! Halterlose sind unglaublich sexy: Das breite Gummiband, stets als hautfreundlich gepriesen, es lässt am Ende des Strumpfs das Fleisch des Oberschenkels leicht gewölbt hervortreten. Und doch wird seine haltende und bremsende Funktion durch Schweiß immer wieder in Frage gestellt. Gibt es ein bedauernswerteres Geschöpf als eine Frau, deren halterlose Strümpfe rutschen?

Der Herbst ist Zeit für Strümpfe, der Herbst ist also Zeit für Sex. Und jetzt mögen Sie, liebe Kolumnenleserin sich wundern: Eine Frau am Kamin mit Norweger-Socken an ihren Füßen das, so finde ich, sieht schon sehr bezaubernd aus und ich denke dabei an Wilhelm Busch: „Schmiegsam, biegsam, mild und mollig – ist der Strumpf, denn er ist wollig.“ 

#pascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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