QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Handtaschen

Eine Frau ohne ihre Handtasche ist wirklich eine Tragödie. Nachdem bei einem Bekannten meiner Freundin ein Hoden entfernt werden mußte, sagte sie mitleidig zu mir: "Ich glaube, Hoden sind für Männer, was Handtaschen für uns Frauen sind. Eigentlich ist es nur ein kleiner Beutel, aber ohne ihn fühlt man sich in der Öffentlichkeit sehr nackt."

Louis Vuitton

Ich finde es prinzipiell ja sehr gut, wenn sich eine Frau in der Öffentlichkeit nackt fühlt, aber ihre Handtasche sollte sie immer dabei haben. Schließlich muss ja auch ich als Mann irgendwo hin mit meinem Krempel.

Ich habe festgestellt: In Handtaschen von Frauen ist immer noch genug Platz für mein Portemonnaie, für die Schlüssel, meine Sonnenbrille, das Smartphone und - ja ich bin jetzt so politisch unkorrekt - die Zigarillos müssen auch mit. 

Deshalb unterstütze ich den Handtaschentick von Euch Frauen - und nutze diesen Bag-Wahnsinn mit der mir eigenen, charmanten, männlichen Unverschämtheit aus. Also, ich will da bei Euch rein!

Nun ist es aber gar nicht so einfach, in die Handtasche einer Frau einzudringen. Einen Blick hineinzuwerfen oder gar hineinzugreifen, das ist ein Akt, der an Intimität kaum mehr zu überbieten ist. Eventuell erlauben Frauen diesen Griff gerade mal noch ihrer besten Freundin. Das hat dann irgendwie immer auch etwas zauberhaft Homophiles, wenn sie einander ihre Täschchen durchwühlen. Verständlich, denn Frauen scheinen zu ihren Handtaschen nun einmal ein wahrhaft erotisches Verhältnis zu haben. Sie sind ja auch ein Sexsymbol; noch im Sprachgebrauch des 17. Jahrhunderts bezeichneten die Worte "Börse", "Büchse" oder "Tasche" das weibliche Geschlechtsorgan.

Und was sie alles - je nach Frauentyp – in ihrer Tasche versenken : Beim Partyluder sind es Kaugummi, Handy, Kondome, Marlboro Light, Sonnenbrille, Vitamintabletten, Chanel Kompaktpuder und -pinsel gegen ein vom Tanzen verschwitztes Gesicht, Douglas-Kundenkarte, mehrere Feuerzeuge (die alle leer sind), sowie Münzen für die Gemeinschafts-Waschmaschine im Keller des Appartementhauses für Singles. Bei einer jungen Mutter hingegen finden sich auf dem Taschengrund Tempotaschentücher, Pflaster, Smarties, Schlüsselbund, Flaschenöffner, Figuren aus Überraschungseiern und Abholzettel für die Reinigung. Die Karrierefrau indes schleppt stets iPhone, iPad, Organizer, eine teure Handcreme für einen weichen Handshake vor dem Meeting, Fischerman’s Friends, Montblanc-Kugelschreiber sowie Chanel No. 5 mit sich herum und natürlich auch die kleinen Nähzeugbriefchen, die sie manisch in Hotels sammelt. Egal, welchen Typ Frau wir Männer also kennenlernen, es ist für uns immer wieder unglaublich, was Ihr, die andere und bessere Hälfte der Menschheit, immer bei sich haben muss.

Nun haben ja sogar Hetero-Männer nach vielen, vielen Jahren intensiven "lifestylebrainwashes" endlich gelernt, dass eine Wimpernzange kein schicker Spargelschäler von Alessi ist. Was wir aber wirklich nicht begriffen haben, das ist die existenzielle Bedeutung von Größe und Form einer Handtasche - sowie jener geheimnisvolle Zauber, der vom Namen eines  Handtaschenherstellers ausgeht. Warum muss das Ding von Louis Vuitton sein? Oder voluminös von Jil Sander? Warum ausgerechnet von Michael Kors? Oder von Celine? Warum so neckisch gesteppt mit Goldkettchen von Chanel? Ist das G-Initial von Gucci der eigentliche G-Punkt der Frau? Muss die Clutch mit Swarovski-Steinchen übersät sein, oder ein dickes Fell aus Zebra-Imitat haben? Warum gilt es als so wichtig, dass das schwarze Metall-Dreieck von Prada auf der Tasche prangt und vor allem: Warum bleiben die Kelly- und Birkin-Bag von Hermès der schwingende Gralskelch am Unterarm der Frau?

Meine Freundin hat sich einmal solch eine Tasche gekauft. Ich fand das großartig: Zum Einen liess sie sich clever eine Rechnung für einen Aktenkoffer ausstellen, um das trapezförmige, für Grace Kelly in den 50er-Jahren entworfene Monster als Büromaterial abzusetzen; zum Anderen waren meine sieben Sachen endlich gut untergebracht.

Ihm, der Euch kennt, ist es dennoch völlig egal, ob die Handtasche nun von Prada-Gucci-Chanel-Furla-Celine-Bendel-Kors-Vuitton-Hermès stammt. Es ist egal welche Form sie hat, zu welchem Anlaß sie getragen wird und vor allem, ob das Ding nun echt ist. Ja, es ist uns egal, ob die Tasche als Fake bei einem fliegenden Händler am Strand von San Remo oder auf einem nächtlichen Markt in Phuket geschossen wurde. Wichtig ist nur, dass wir selbst nicht mit solchen Dingern herumlaufen.

Vor vielen Jahren waren sie ja mal kurzfristig in Mode: Herrenhandtaschen. Aber schon damals liess sich ein wahrer Hetero wie ich es bin ein anzügliches "dein Täschchen brennt" nur einmal hinterherrufen. Manche nannten die Dinger mit der Halteschlaufe auch neckisch b u k. Die drei Buchstaben galten als Abkürzung für Beischlafuntensilienkoffer, was den Besitz einer Herrenhandtasche auch nicht besser machte. Heute baumelt solche ein Straßenkulturbeutel nur noch am Handgelenk von U-Bahn-Kontrolleuren oder Pfeifenrauchern mit großem Equipment. Um unseren Kleinkram mitzuschleppen, beulen wir lieber unsere Hosen aus, nehmen bei vierzig Grad im Schatten das Sakko überall mit hin  - oder eben: Wir nutzen perfide die Handtaschen-Liebe von Euch Frauen. Das aber ist - wie aller Umgang mit dem mysteriösen Geschlecht - eine Sache des Mutes.

Denn: Wollen wir da rein? Können wir unsere Sachen wirklich diesem dunkeln Abgrund anvertrauen? Ein Mann, der seine akuten Transportprobleme mit der Handtasche der Frauen löst, sollte sich immer über eines ganz klar sein: Er muss sie überall mitnehmen - die Frau. Und die Frau sollte wissen, dass da für seine Sachen absolut kein Platz ist – weder im Shopper, noch im Weekender und schon gar nicht in der zarten Clutch. Zum Schluss schleppt Ihr dann noch „unsere“ Spielsachen wie ein Schweizer Offiziersmesser mit Euch herum. Und das kann schwer sein. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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