QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
Herbst!
Es geht dahin: das Jahr, das Leben – unser Beauty-Kolumnist findet das ausgesprochen tröstlich und schön.
Liebe Kolumnen-Leserin, BEAUTY.at-Surferin oder auch Weiterklickerin . Alle zwei Wochen frage ich mich, beziehungsweise meine wundervolle Chefredakteurin fragt mich „Welches Thema diesmal?“ Glauben Sie mir, soooo einfach ist das wirklich nicht mit der Themenfindung für diese Kolumne. Okay, es gibt Regeln und Gesetze: Sex sells beziehungsweise: Sex-Themen werden gelesen. Das ist eben so eine Regel - nicht nur aus den Tiefen des Marketings, sondern auch aus dem Werkzeugkasten des Journalismus. Warum sonst würde es auch so unendlich viele Blow-Job-Ratgeber in Frauenzeitschriften geben?
Aber wollen Sie, verehrte Leserin, sich ernsthaft darauf reduzieren lassen, wie ein Pawlovscher Hund zu reagieren? Ein Four-Letter-Word (falls nicht bekannt, bitte googeln) als Hundeknochen hingehalten? Damit Sie weiterlesen, nur weil die ersten Zeilen dieser Kolumne Aussicht auf ein Sexthema versprechen? Okay, ich könnte über den letzten TATORT aus München mit dem Titel „Hardcore“ schreiben. Seit jenem Sonntag Abend sind Sie aufgeklärt und wissen spätestens jetzt, dass Bukkake keine Sushi-Variante ist. Ja, und ich könnte hier noch schreiben, dass das mit dem Planschbecken schon seine Richtigkeit hat und dass der wahre Cum-Shot-King in der bayerischen Metropole John Thompson hiess; er war mit seinen GGG-Filmen ganz klar Vorbild für jenen Sam Jordan im TATORT. John hat es aber inzwischen nach Berlin verschlagen, um dort weiterhin in Tapetenkleister und ähnlichem zu planschen. Nun ich könnte auf diese Weise elegant die Kurve zur Beauty-Industrie schlagen und über Facials (nicht Tapetenkleister) schreiben und was alles gut und sehr gut ist für die Gesichtshaut. Aber ich glaube, die Annnahme, dass Sie einzig und allein nur an Sex(Themen) interessiert sind, ist so absurd wie der Auftritt eines Osterhasen, der sich als Weihnachtsmann verkleidet hat, um bei „Germany’s Next Topmodel“ aufzutreten.
Also, sollte ich etwas Politisches schreiben? Schließlich steht in Österreich am Wochenende eine bedeutende Wahl an. Da geht’s auch um Europa! Nun, ich könnte hier jetzt Sex und Europa-Politik miteinander verbinden und erklären, warum die Menschen keine Lust mehr auf das Europa der Technokraten und Bürokraten haben. Dass die Menschen diese Gleichmacherei nicht mehr wollen, dass sie diese, von gut bezahlten, kafkaesken EU-Beamten verfassten EU-Normen und EU-Richtlinien satt haben. EU-Richtlinien, in denen festgelegt ist, dass ein Kondom europaweit eine Normgröße von 17 Zentimetern Länge hat, 56 Millimeter im Durchmesser beträgt und (fragen Sie John Thompson warum) 5 (!) Liter Flüssigkeit aufnehmen kann, ohne zu platzen. „Eine“ Kondomgröße, vorgeschrieben von Stockholm bis Palermo. Wahnsinn! So einfach, Herr Juncker, lässt sich Europaverdruss erklären. Weil die Menschen genau auf diese Gleichmacherei keine Lust mehr haben, weil in Stockholm eben auch noch dieselbe Kondomgröße wie in Palermo gilt, wo es in Palermo doch sowieso schon ausschaut wie in Stockholm, dank Zara-Mango-Geox-H&M-Ikea-et cetera, et cetera! Also mich bringt das Alles in eine postkoitale Tristesse.
Und genau diese Tristesse macht sich auch breit, wenn ich nun hinausblicke in den Herbst. „Süße“, postkoitale Tristesse möchte ich hinzufügen. Denn, ist es nicht herrlich, dieses grelle Licht dort draußen? Herbstlicht. Der Sieg der Sonne über morgendliche Frühnebel? Dieses überschminkte, grelle, letzte Aufbäumen der Natur gegen das Sterben? Dieses klimakterielle Aufbegehren. Ich gestehe, ich liebe die Tristesse des Herbstes! Zunächst einmal, weil die Menschen sich endlich nicht mehr halbnackt durch Fußgängerzonen wälzen und - Einlass begehrend - in Badehose und Flipflops vorm Sacher-Café Schlange stehen. Ich liebe den Herbst, weil Frauen sich endlich wieder in textile Schichten hüllen, weil ihre Knie in Overknees verschwinden, weil sie ihre Zehen wieder in die weichwarme Dunkelheit von Stiefeln zwängen, weil Mäntel ihre Körper umwehen und hoffentlich keine Goretex-Jacken. Ich könnte nun auch schreiben, weil es die Herbst Beauty-Box gibt. Ich würde meiner Chefredakteurin damit eine Freude machen, gleichwohl ich selbst mit einer Beauty-Box, noch der absurdesten Genderstudie zum Trotz wenig anfangen kann.
Wie Sie sehen, man kann durchaus von John Thompson über Europapolitik zum Herbstlaub kommen. Es hängt nämlich Alles mit Allem zusammen. Irgendwie. Es ist zum Verrücktwerden.
Pascal Morché
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
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