QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
Patschibär liebt Chaosmaus!
Warum es Kosenamen gibt, die zum Fremdschämen sind.
Wie macht man Menschen klein? Antwort: Mit dem Messer oder mit dem Wort. Wort ist immer besser. Nicht so blutig. Eigentlich. Denn manchmal machen einen Wortjongleure ebenso fassungslos wie Messerwerfer. Und zwar immer dann, wenn Menschen sich mit Kosenamen ansprechen. Es übersteigt die häufig zu hörenden Sätze wie „Liebling, kannst du mal...“ und „Schatz, wo sind eigentlich...“. Das hört man oft; und oft hört man gar nicht mehr hin. Man kann nur hoffen, dass die Angesprochenen selbst sich noch dabei angesprochen fühlen. Schließlich gehen auch Kosenamen, wenn sie inflationär gebraucht werden, gefährlich oft im Sprachfluss unter.
Es scheint eine hohe Kunst zu sein, Kosenamen zu finden, die sich von der Masse abheben. Doch warum überhaupt Kosenamen? Ich, Ihr ebenfalls Kosenamen verwendender Kolumnist reagiere weder auf „Bärli“, „Grummelchen“, „Hase“ oder „Schnuffel“. Das sei schon mal klargestellt, sollte ich Ihnen doch einmal außerhalb des virtuellen Raums begegnen. Ich glaube, dass hinter Kose- oder Spitznamen eigentlich etwas recht Perfides steckt: Nämlich der Versuch, durch eine nur scheinbar liebevolle Benennung den anderen auf pseudozarte Art und Weise klein zu machen und auch klein zu halten; ihn sich verbal possierlich, niedlich und beherrschbar zu machen. Verbal liebevolle Zuneigung sollte erstens nicht immer für die Öffentlichkeit bestimmt sein und zweitens, könnte man ja auch mal das Bild, das man vom Partner hat überdenken. Wer seine Frau „Maus“ nennt, ist selten ein „Tiger“. Und auch eine zuckersüße „Haselmausi“ wird kaum sagen „Oh, mein Knuddelchen, hier ist dein Bier.“
Dass Kosenamen etwas sehr Intimes sind und nicht unbedingt für fremde Ohren bestimmt, soviel Sprachsensibilität sollten Liebende aufbringen. Wer seinen Partner liebevoll „Bumsbacke“ nennt, oder wer seine Frau in aller Öffentlichkeit „vermeintlich“ zärtlich mit „Speckmaus“ oder „Schnullerbacke“ anspricht, könnte bei Dritten das Gefühl intensiven Fremdschämens auslösen. Oder für Erheiterung sorgen: Bayerns einstiger Ministerpräsident Edmund Stoiber nannte seine Gattin „Muschi“ – und verstand nie, warum die Menschen darüber lachten oder den Kopf schüttelten.
Die Interpretation jener Kosenamen mit denen sich Menschen ansprechen, ist nicht schwer. Vom „Bär“ erwartet sich die Frau den Beschützer; bei seiner „Süßen“ sucht der Mann eher eine unterwürfige, devote Partnerin und ist sie gar sein „Hase“, dann sind wir vermutlich Playboy- Bunny Regionen. Warum der Hase dort nie „Häsin“ heißt, hab ich übrigens nie begriffen und Hugh Hefner kann ich auch nicht mehr fragen.
Schatz oder Schatzi sind statistisch die vom Mann wie von der Frau am häufigsten gebrauchten Kosenamen. Verständlich: Ein Schatz ist etwas Wertvolles, gleichwohl man sich beim kritisch tiefen Blick in die Kosenamensprachschatztruhe durchaus fragen sollte: Ist das Wort Schatz nicht doch arg materiell konotiert? Irgendwo zwischen Aktienpaket, Festgeldkonto und Golddepot? Und lassen wir den Schatz erst noch zum „Schätzchen“ werden, so beweist dies nur erneut: Verniedlichung durch Verkleinerung, also Diminuierung führt ohnehin meist zum Sprachkitsch. Man hängt einfach ein „...lein“, ein „...chen“ oder ein einfaches „...i“ ans Substantiv. „Froschi“ wird das bestätigen und ein „Engellein“ seinem „Teufelchen“ nicht widersprechen.
Manche nennen ihre Töchter „Nilpferd“ oder „Schwein“; manche ihre Söhne „Pumuckl“, „Chefkoch“ oder „Zwergbüffel“. Das geht in Ordnung, denn Kosenamen sind Privatsache. Interessant ist allerdings, wie viel jemand von seiner Sozialisation mit dem Kosenamen sprachlich preisgibt, den er für seinen Liebsten oder seine Liebste wählt. Manche greifen ins Englische: Wer seinen Partner „Darling“ nennt, „Beauty“ oder „Barbie“ hat irgendwie in den 80ern eine TV-Dosis „Miami Vice“ zuviel abgekriegt - und auch wenn sich Liebende gegenseitig zärtlich „Baby“ rufen, fühlt man sofort ihren Traum von Penthouse, Palmen und weißem Kunstleder. Aber ich habe sowieso nie begriffen, warum und wie man bei dem Kosenamen „Baby“ an Sex denken kann? Sex und Baby? Ich denk bei „Baby“ an Hipp, Schnuller, Windeln und Strampelanzug.
Kosenamen entspringen also oft einer Verkleinerung oder folgen Assoziationen, die sich von Tieren herleiten. So gehören zum Streichelzoo der Kosenamen alle, die der Wiener Bauunternehmer Richard Lugner (selbst „Mörtel“ genannt) schon für seine Frauen hatte: „Katzi“, „Mausi“, „Spatzi“, „Kolibri“ und „Bambi“. Eine Boa Constrictor oder ein Axolotl kommen als Kosenamen eben eher nicht in die engere Wahl – sie bieten ja auch als Tiere kein herziges, putziges Kindchenschema, das für assoziative verbale Zärtlichkeit unbedingt notwendig ist. Armes Axolotl! Gleichwohl: Lugners neue Freundin trägt den Spitznamen „Goldfisch.“ Die Amphibien und Fische dürfen hoffen.
Wahrscheinlich kommt es weniger auf den Sinn eines Kosenamens an, als auf das Gefühl, das er vermittelt. Jeder Mensch fühlt anders. Manchmal wird’s paradox: Ich habe nie verstanden, wie und warum ein Mensch einen anderen Menschen zärtlich „Babysocke“ oder „Zwetschke“ nennt. Ich kann weder in Babysocken noch in Zwetschken onomatopoetisch noch assoziativ etwas Zärtliches, Liebevolles entdecken. Das eine ist ein Ding, das andere entspringt nicht der Fauna, sondern der Flora. Ich sage ja auch nicht meine süße, kleine „Anhängerkupplung“ oder „du Banane, du“. Seltsam ist das alles. Es gibt Menschen, die nennen ihre Katze zärtlich „Maus“. Das verstehe ich nicht. Was ich aber verstanden habe ist, dass die Menschen verschieden sind. Und dass sie, auch wenn sie alle dieselbe Sprache sprechen und die gleichen Worte benutzen – doch alle etwas anderes meinen. Und vielleicht ist das ja auch gar nicht schlecht so? Jedenfalls wünscht Ihnen hier jetzt nicht „Schnuckiputzi“ ein gutes neues Jahr, sondern ganz einfach Ihr Beauty.at-Kolumnist.
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
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