QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Milchdrüsenverweigerung

Ist unser Kolumnist kein normaler Mann, weil er nicht wie alle anderen Männer vom Busen fasziniert ist? Seine Erklärung: Er will beim Sex kein Baby sein.

Istock busen© iStock_tatchai

Auf Wunsch einer soeben zum zweiten Mal Mutter gewordenen jungen Frau (wir gratulieren!), soll die hoffentlich noch immer beliebte Beauty.at-Kolumne dieses Mal vom Busen handeln. Beziehungsweise etwas Klarheit in die vernebelte Frage bringen, warum Männer vom Busen der Frau so angezogen werden. Die gewordene Mutter kam nämlich auf die Faszination zu sprechen, die ihr Busen auf das Baby, auch Säugling genannt, ausübe. Und dass diese Begeisterung für den Busen dann ja auch für den Rest des Lebens – zumindest bei den männlichen Säuglingen – bleibt. Hoppla, mit dem Wort Säugling sind wir schon beim Saugen: Ich jedenfalls schätze es nicht, Bier aus der Flasche zu trinken, ich vermeide Eis am Stiel, lutsche nicht am Daumen und mag meinen Kaffee lieber ohne Milch. Vielleicht alles Indikatoren, die mein Unverständnis dafür erklären, was meine Geschlechtsgenossen so wahnsinnig toll am Busen einer Frau finden. Okay, ein Busen ist besser als kein Busen, aber ein Auto ist auch besser als kein Auto.

Der Busen gilt als ein sekundäres Geschlechtsmerkmal. Und das sagt doch schon alles, nämlich dass er ein völlig zweitrangiges Geschlechtsmerkmal ist. Also, ich habe mich immer für das Primäre, das Erstrangige interessiert. Es schien mir einfach zielführender vom Wesentlichen angezogen zu werden. Ja, überhaupt die Topographie des menschlichen Körpers: Der aufrechte Gang hat ja sowieso alles verändert. Denn es ist doch so: Der homo sapiens richtete sich auf und plötzlich war das Geschlechtsteil, das primäre, das sich einst am Körper des Vierbeiners ganz hinten und also weit weg vom Kopf befand, in der Mitte des Körpers platziert (und dann auch noch auf Höhe der Hände). Und die Brüste, vormals ganz natürlich nach unten hängend, sollten nun nach vorne ragen. Völlig widernatürlich; versuchen Sie nur mal einen Kronleuchter, der für die Zimmerdecke gedacht ist, an eine senkrechte Wand zu nageln. Eben. Soviel zur Physik.

Als ein, in Bezug auf Busen völlig unschubladisiert reagierender Mann konnte ich mich auch cineastisch nicht wirklich für das Werk von Russ Meyer begeistern. Bei „Die Satansweiber von Tittfield“ machten mich die, in hautengen Leggings steckenden, bestiefelten Beine der Frauen an. Besonders jene von Tura Satana in der Rolle der Varla (so, jetzt haben Sie wieder eine Menge zum Googeln). Ja, Beine finde ich einfach viel interessanter, denn die führen direkt beim primären Geschlechtsmerkmal zusammen. Ich sagte ja schon: ich bin zielorientiert. Frauen wissen natürlich, dass die meisten, ja fast alle Männer von einem Busen angezogen werden. Ich glaube, Frauen verstehen das selbst nicht, was an diesem milchdrüsigem Fett- und Bindegewebe so toll sein soll. Jedenfalls gehen sie viel lässiger mit diesem Körperteil um. Pamela Andersen sagte mal: „Mein Busen machte eine fabelhafte Karriere – ich bin immer einfach nur mitgetrottet.“ Da sieht man, dass so ein Buchtwacht-Star nicht blöde ist, sondern die hübschesten Bonmots rausschießen kann.

Kommen wir zurück zum Sex. Dass Männer „dabei“ oder davor an der Brust der Frau nuckeln, zullen, zuzeln, saugen ist doch wirklich seltsam. Ich denke, eine Frau will doch keinen Sex mit einem Säugling haben; und ein Mann will sich doch nicht beim Sex wie ein, nach Milch gierendes Baby fühlen. Also, was mich in einer solchen Sex-Situation nur noch mehr beunruhigen kann, ist ein schwarzes Stahlgitterbett mit dem Namen „Jailhousefuck“. Okay, ich komme schon wieder zu erotischen Special Interests: Eine Frau, die ein Nippel-Piercing hat, finde ich schon interessant, weil ich aber eben alle Menschen interessant finde, die sich freiwillig einer Grenzerfahrung ausliefern. Und Schmerz ist immer (!) Grenzerfahrung. Jetzt nur nicht philosophisch werden. Lieber kosmetisch: ich gedachte in einer anderen Kolumne ja bereits der wunderbaren Hautcreme „Euter Pflege“ . Also, zum Schluss lieber den Busen literarisch erklären und verklären.

„An diesem Busen treu geborgen“, „mir wird’s im Busen bang“ und „jeder Busen ist, der fühlt, ein Rätsel“ (Kleist) oder „unbefriedigte Lust welkt nie im Busen eines Mannes“ (Goethe)... in der klassischen Literatur (also nicht in „50 Shades of Grey“) steht der Busen für Brust. Und was schlägt unter der Brust? Richtig, das Herz! Und das haben sogar Männer. Der Busen galt poesievoll und nicht milchvoll synonym für Brust und Herz von Mann „und“ Frau.  Nun gut, tempi passati, ich wollt ja nur mal daran erinnern. Um es kurz zu machen das seltsame Busenwunderthema: Ich mag beim Sex ganz einfach keine Assoziationen und keine Konnotationen zu Milch saugenden Säuglingen. Natürlich, Milch zu saugen, muß mächtig Freude machen (zu Beginn des Lebens). Deshalb ja auch Schiller: „Freude trinken alle Wesen an den Brüsten der Natur.“ Gut so! Aber eben auch nur solange „alle Wesen“ noch Babies sind.

Pascal Morché

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Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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