QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Vom ewigen Warten auf die Frau

Ich stehe vor der Badezimmertür. Ich stehe immer vor der Badezimmertür. Ja, ich habe gefühlte Jahre vor der Badezimmertüre gestanden. Und es läuft immer das gleiche Ritual ab: Ich habe meinen Mantel bereits angezogen und den der geliebten Frau über dem Arm. Unten parkt das Taxi, dessen Fahrer nun schon zum zweiten Mal geklingelt hat, aber aus dem Badezimmer tönt ihre Stimme: „Wart’ mal schnell!“. Früher dachte ich immer darüber nach, wie das denn wohl gehen soll, „schnell“ zu warten? Kann man denn auch „langsam“ warten? Inzwischen sind mir solche philosophischen Probleme völlig egal.

Warten© iStock_neustockimages


Nicht egal ist mir jedoch, dass ich eben schon gefühlte Jahre meines Lebens hier im Flur vor der geschlossenen Badezimmertüre verbracht habe.
„Ich muß nur noch mal eben die Lippen nachziehen.“ Oh weh: „Nur noch mal eben!“ Präziser kann eine Frau, (mir werden da sicher viele beauty.at-Leserinnen in einem Moment ehrlicher Selbstreflexion recht geben); präziser also kann eine Frau nicht ausdrücken, wenn sie eigentlich sagen will, „es kann noch ein paar Stunden dauern.“ Wir werden wieder einmal zu spät auf die Party kommen; der Film hat meist bereits ohne uns angefangen, die Opern-Ouvertüre ist immer schon vorbei, die Suppe meist schon gegessen und die Eröffnungsrede längst gehalten. Kurz: wir verpassen immer den Anfang. Gleich wird der Taxifahrer ein drittes Mal ungeduldig klingeln. Durch die Gegensprechanlage kann ich nur ein entschuldigendes "Moment noch" stammeln. Wenn der Fahrer da unten ein Mann ist, dann versteht er mich. Alle Männer  verbringen schließlich ihr Dasein nur damit, auf Euch geliebte Frauen zu warten.

Soziologen schätzen, dass unser Leben zu gut einem Fünftel aus reiner Wartezeit besteht. Ob am Post- oder Bankschalter, am Flughafen, auf dem Bahnsteig, beim Arzt oder in der Behörde: Wir warten. Und zwar meist, weil eine Frau vor uns ist. Eine Studie in den USA ergründete, dass ein Mensch zum Beispiel zwei Jahre seines Lebens damit vergeudet, jemanden anzurufen, der dann den Hörer nicht abhebt; dass er sechs Monate vor roten Ampeln zubringt und summa summarum ganze fünf Jahre in Warteschlangen aller Art steht. Ja, was habe auch ich schon Jahre im Supermarkt an der Kasse hinter Frauen gestanden und dort wesentliche Teile meines Lebens sinnlos verwartet. Es ist doch so: Wenn die Kassiererin alles getippt oder gescannt hat und die Summe endlich in digitaler Leuchtschrift dasteht und diese auch laut und deutlich aus dem Mund der Kassiererin zu vernehmen war: dann, erst dann(!) greift eine Frau in die Tasche, um (mehr oder weniger) umständlich ihr Portemonnaie hervorzukramen. Da frage ich mich immer: Warum sucht die Frau nicht schon früher nach ihrer Geldbörse? Gleich nachdem sie das letzte Teil aus dem Einkaufswagen herausgenommen hat? So habe ich mein Leben nicht 'mit', aber 'hinter' Frauen verbracht.

Glaubt mir: Dieses Wartenmüssen, in das Ihr Frauen uns zwingt macht aus uns kraftvollen, handelnden, aktiven Männern schlaffe, verblödende, resignierte Zuschauer. Ihr zersetzt unsere Energien. Ihr schaltet unsere Fähigkeit zur Selbstbestimmung aus. Ihr macht uns Männer hilflos und apathisch.  Dabei haben wir Männer doch sowieso statistisch eine geringere Lebenserwartung als Ihr Frauen. Nur schlimm, dass die uns noch verbleibende Lebenszeit hauptsächlich mit Warten auf Frauen erfüllt ist. Ja, ist Euch eigentlich klar, dass Ihr uns Lebenszeit klaut? Dass wir Männer unseren ohnehin nur mit Autos und Fußball zu füllenden Lebensleerlauf noch mal extrem vergrößern? Manchmal glaube ich zwar, dass Ihr uns nur deshalb so häufig warten lasst, weil Ihr ernsthaft daran glaubt, auf diese Weise unsere Vorfreude auf irgendetwas zu steigern? Vorfreude ist Spannung. Auf ein blind date zu warten, kann ja auch wirklich ein Lustgefühl sein. Das Warten auf eine Frau jedoch, die sich offensichtlich in einer Restaurant-Toilette verbarrikadiert hat, ist hingegen der Horror.

Da wir Männer die Hälfte unseres  Lebens wartend vor Badezimmertüren verbringen, sei Euch hier auch mitgeteilt, wo wir die andere Hälfte unserer Lebenszeit vergeuden: Vor Umkleidekabinen in Modeläden! Dort lasst Ihr uns schnell links liegen (sitzen oder stehen), um Euch einem warmherzigen Boutiqueverkäufer an den Hals zu werfen. Mit den weichen Worten „steht Ihnen gaaaaaaanz toll“ schleppt er immer wieder neue Edelklamotten an, reicht sie Euch zunächst in die Kabine, um schließlich im weiteren Verlauf des Verkaufsgesprächs ganz darin zu verschwinden. Manchmal bekommen wir von dem freundlichen femininen Verkäufer ein Glas lauwarmen Prosecco in die Hand gedrückt. Spät erst erkennen wir, dass der Drink nur dazu dient, uns vor der Umkleidekabine ruhig zu stellen und uns das Warten zu verkürzen, während der Verkäufer mit unseren Frauen irgendwann da drinnen in Körperkontakt tritt. Während sich die geliebte Frau dann an- und aus- und umzieht, bleibt uns meist durch den Spalt des Kabinenvorhangs nur der Blick auf ihre unbeschuhten Füße mit bezaubernd geröteten Zehen. Ja, mehr haben wir nicht und mehr bleibt uns nicht in diesen einsamen Momenten des Wartens, die zu Stunden werden können.

"Die Form des Masochismus ist das Warten. Der Masochist erlebt das Warten im Reinzustand", behauptet der französische Philosoph Gilles Deleuze zum Thema Sadomasochismus. Er hat recht! Wir Männer sind Masochisten. Wir werden von Frauen zum Warten gezwungen - und also zum Leiden. Denn sind wir doch mal ehrlich: Wenn eine Frau pünktlich ist, dann hat sie sich in der Zeit geirrt, dann ist sie also nur rein 'zufällig' pünktlich. Neulich wollten wir ins Theater. Man spielte Beckett, "Warten auf Godot.  Als wir ins Theater kamen, hatte das Stück schon begonnen und wir wurden nicht mehr reingelassen. Macht aber nichts. Ich hatte ja daheim schon "Warten auf die Frau" gespielt. Das Stück kenne ich inzwischen richtig gut. Als Zuschauer ebenso wie als Mitspieler. Ein Nobelpreisträger wie Samuel Beckett kann den Zauber sinnlosen Wartens auch nicht besser auf die Bühne bringen. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS - Alle Kolumnen