QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Seitensprung und Treue

Sex ist im Grunde genommen auch nur eine Variation des bekannten marktwirtschaftlichen Themas von Angebot und Nachfrage. Der Mann fragt nach Sex und bekommt Liebe als Angebot – die Frau fragt nach Liebe und bekommt Sex angeboten. So läuft das meist und das ist eine verdammt dumme, nämlich Missverständnisse fördernde Sache – vor allem beim Seitensprung. Denn hier stößt der Mann oft auf etwas sehr Hinderliches: Auf die denkende Frau.

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Vor dem Sex denken Frauen nach. Beim Seitensprung ganz besonders . Ihr Kolumnist hat selbst die Erfahrung gemacht. Frauen lieben die Sprachwelt des Konjunktivs: „Könnte, würde, sollte dieser Mann der Vater meines Kindes werden?“ Alle möglichen Konsequenzen werden durchdacht. Vor dem Seitensprung kommt der Eisprung, zumindest das Nachdenken darüber. Warum? Weil jede Frau (na gut, fast jede Frau) Kinder haben will. Die Frage ist nur: Wann und mit wem? Das liegt daran, dass in Euch wundervollen Wesen etwas tickt, dass es nicht bei Wempe zu kaufen gibt: Die biologische Uhr. Ihr Ticken hält die Frau in Gang. Oder um in der Uhrensprache zu bleiben: Es ist quasi ihre Unruh.

Das kann uns Männern nicht passieren. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn einem der eigene Körper für diverse Unternehmungen nur saisonal zur Verfügung steht. Wir können immer – und deshalb wollen wir auch immer. In uns Männern tickt keine biologische Uhr, die uns zum Denken zwingt. Diese Tatsache macht uns zwar zum Einen animalisch unglaublich frei und wer will, dem schenkt sie ein glückliches und animalisches Triebleben. Aber zum Anderen macht genau diese Tatsache uns Männer auch unglaublich verantwortungslos.

Wir Männer sind eben nicht nur rücksichts-, sondern vor allem auch vorsichtslos. Mehr noch: Sieht ein Mann eine wunderschöne Frau, schaltet sich sein Kopf von selbst, quasi naturgemäß und ganz automatisch aus. Die innere Stimme, die uns zuvor tausendmal gesagt hat: „Mann, sei nicht blöd...lass den Seitensprung: Denk an die Beziehung, in der du grade steckst!“, dieser inneren Stimme verschlägt es in einer solchen Situation regelmäßig die Sprache. Übrig bleibt der innere Zwang, eine nicht zu kontrollierende Macht, die unser Sexleben bestimmt. Wer das Wort „Triebtäter“ einmal aus seinem bösen und pathologischen Zusammenhang herauslöst, merkt sofort, dass es ohnehin nur in der maskulinen Form existiert. Wir Männer, liebe Leserin, wir sind letztlich nichts anderes als fremdbestimmte Triebtäter. Deshalb haben wir auch das Recht, bei der Be- und Verurteilung unserer Seitensprünge auf mildernde Umstände durch kluge Frauen zu hoffen.

Kluge Frauen wissen, dass Männer von Natur aus untreu sein müssen; dass sie da quasi eine genetische Prädisposition in sich tragen. Kluge Frauen wissen, dass uns bis heute diese dominanten Gene beherrschen, die wir schon vor Jahrtausenden ausgelebt haben. Wir sind Jäger geblieben, und zum Jagen gehört nun mal das Erlegen des Erjagten. Genau deshalb sind wir – im Gegensatz zu Euch Frauen – immer und überall zum Seitensprung bereit, ja schlimmer noch: Wir sind zum Seitensprung geradezu verpflichtet: Wir müssen uns fortpflanzen! Wir müssen die Evolution am Laufen halten! Treue empfinden wir als Feigheit vor dem Leben. Und welcher Mann will schon feige sein?

Wir müssen fremdgehen, weil wir die Fremde lieben. Nur dort können wir uns wirklich beweisen. Treue ist bloß der Zeitraum zwischen zwei Seitensprüngen. Und wie groß dieser Zeitraum ist, das hängt nicht von uns ab, sondern von den Frauen, die uns begegnen. Wie also dieser Problematik begegnen? „Treue hat nur Wert als ein Gegengeschenk, sonst ist es die größte Verschwendung“, sagt Arthur Schnitzler und dieser kluge Mann schrieb „Reigen“ oder „Traumnovelle“ ja nicht ohne Grund. Er wußte: Gemeinsam und gleichzeitig untreu zu sein, genau das ist die absolute Treue. Das Fazit: Paare, die gemeinsam an Sex-Orgien teilnehmen, sind zumindest sexuell einander nicht untreu. Ist das nicht schön? Solche Paare können sich ihre Treue im Schnitzlerschen Sinn buchstäblich gegenseitig schenken. #quietwordspascalmorche

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