QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
Kampf ums Körbchen
Unser Kolumnist ist ein Mann, aber er macht’s trotzdem; er macht sich Gedanken über den Triumph des Büstenhalters von Triumph.
Ja, ich bin ein Mann. Aber deshalb halte ich eine Wimpernzange nicht für einen Spargelschäler von Alessi. Auch finde ich es sehr gut, dass die Deutsche Bundeswehr derzeit 500 Umstandsuniformen von schwangeren Soldatinnen testen lässt, und zwar am Schreibtisch ebenso wie im Gelände. Sie sehen: Ich kann mich erstaunlich gut in Frauenthemen hineinversetzen. Dennoch hat mir diese Tatsache eine kluge Frau neulich nicht geglaubt: „Ein falscher BH versaut einem den ganzen Tag“, sagte sie, mein Mitgefühl heischend. Sie meinte also, es zwickt und ich könne sowas nicht verstehen. Stimmt aber nicht: Die falsche Unterhose ist für mich auf einem Langstreckenflug nämlich auch kein Vergnügen.
Ein Büstenhalter ist gelebte Demokratie: Er stützt die Großen, stärkt die Kleinen, und hält die Massen zusammen. Und ich finde es auch immer großartig zu beobachten „wie“ eine Frau ihren BH anzieht: Die einen schlüpfen mit den Armen zuerst in die Träger ihres BHs, um ihn dann rückwärtig zu schließen; die anderen schließen den BH unterhalb der Brust und drehen das ganze Ding dann nach hinten. Letzteres sieht immer ziemlich drollig aus, die Körbchen am Rücken. Klar, es gibt auch BHs ohne Häkchen oder Knöpfe, oder jene (französisches Modell) die grundsätzlich immer vorne über dem Brustbein geöffnet und geschlossen werden. Aber die BH-Anziehtechnik ist tatsächlich nicht mein Thema. Mich interessieren eher ästhetische und physikalische Aspekte dieses Wäschestücks. Denn mir ist klar, der BH hält Masse zusammen und nach der Relativitätstheorie von Albert Einstein (1905) kann Masse in Energie umgewandelt werden. Das stimmt ja auch, wenn ich an Sophia, Gina, Jane, Marilyn und an Pamela denke, oder als Cineast gar an „Die Satansweiber von Tittfield“ (selber googeln macht schlau!).
Was also ist ein BH? Worin besteht seine zivilisatorische, kulturhistorische Bedeutung für die Hälfte der Menschheit? Die Antwort kann nur heißen: Der Büstenhalter ist der Triumph des Willens, die Schwerkraft zu besiegen. Ha, wir sind bei einem Wort, das Männer verstehen und Frauen lieben: Triumph . So heißen übrigens meine LieblingsBHs von Michael Braun und Johann Gottfried Spießhofer. Die Beiden gründeten 1886 eine Firma, die in Heubach, im deutschen Schwabenländle zunächst Mieder und Korsetts herstellte. 1902 nannten die beiden dann ihre Marke „Triumph“ (der Überlieferung nach ließen sie sich vom Arc de Triomphe in Paris inspirieren). Und dann gab’s da noch Mary. Die Amerikanerin Mary Phelps Jacob hatte 1914 den Büstenhalter erfunden bzw. ihn patentieren lassen. Das war modisch, gesellschaftspolitisch und kulturwissenschaftlich ein großer Schritt in Richtung Freiheit, Bequemlichkeit und Selbstbewusstsein der Frau. Mieder und Korsetts waren schließlich eher Folterwerkzeuge der weiblichen Anatomie. Für die Hersteller von Büstenhaltern begann damals der Kampf ums Körbchen. Und getreu der Devise „es gibt keinen hässlichen Busen, es gibt nur falsche Büstenhalter“ triumphierte „Triumph“ bald mit seinen Halbschalen, denn tatsächlich hat kaum jemand soviel für Tragekomfort, für Formen und Größen des BHs getan wie der triumphale, inzwischen in der Schweiz ansässige Wäschehersteller.
Nein, ich schreibe jetzt nicht die alte Story über die Entwicklung des Büstenhalters, über die Innovationsgeschichte seiner Materialien und Passformen, über Fischbein- und Metallbügel bis zur Elastizität durch High-Tech-Textil; ich schreibe nicht über Feministinnen, die Büstenhalter 1968 auf dem Scheiterhaufen verbrannten oder über spätere Wonderbras und Push-Up-BHs als angewandte Fake-News. Ich habe auch nie begriffen, warum es Büstenhalter heißt und nicht Brust- oder Brüste- oder Busenhalter. Was mir aber auch als Mann einleuchtet, ist die aktuelle Kampagne von „Triumph“, die sich nicht nur der Hebung weiblicher Brüste, sondern vor allem des weiblichen Selbstbewusstseins widmet. Wie das geht?
Eine gute Freundin ist wie ein BH: Sie unterstützt dich, lässt dich nicht hängen und ist immer nah am Herzen. Eben: Unterstützung ist das Zauberwort, wenn’s bei „Triumph“ derzeit um BH’s geht.
Frauen, die sich gegenseitig unterstützen; Frauen, die sich gegenseitig stärken und gemeinsam stark sind. Deshalb #TogetherWeTriumph
. Denn, Frauen unterstützen einander nicht nur, Frauen verbinden auch – und das hat jetzt nichts mit Rotem Kreuz oder Bondage zu tun. Sie, liebe Leserin, staunen ob dieser männlichen Erkenntnis und sagen „Aha“? Nun: Wer Aha sagt, muß auch BH sagen.
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
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