QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
Bart ab!
Seltsam sind sie schon, diese Haare im Gesicht (des Mannes). Unser Kolumnist macht sich da einige ziemlich haarige Gedanken.
Liebe Kolumnen-Leserin; liebe Augenpaare mit Mascara, Kajal, Lidschatten und Gehirnanhang.
Euer Autor hat sich wieder ein haariges Thema ausgesucht. Es geht um den Bart. Also zunächst: Ich trage keinen, bin ein Verfechter des nackten Gesichts. Denn, 1. ein Dreitagebart scheuert mir regelmäßig die Kaschmirschals auf. Und 2. kann ich mir nicht vorstellen, dass es optimal für eine Frau ist, mit einer Parmesanreibe zu schmusen. Außerdem ist Cunnilingus (gibt’s dafür Verbtabellen?) mit Salafistenbart auch eher komisch als geil.
Durchaus interessant scheint mir aber folgende Beobachtung : Je mehr sich die Männer die Schambehaarung abrasieren, desto mehr lassen sie die Haare im Gesicht sprießen. Ja, was da unten fehlt, wird da oben kompensiert. Das heißt: Vielleicht ist der Bart, vielleicht ist die Gesichtsbehaarung des Mannes seine eigentliche, seine wahrhaftige Schambehaarung. Also: ein Mann schämt sich seiner Profillosigkeit, er findet sein Gesicht wirke wenig erwachsen, er entdeckt auch bei mehrmaligem Hinsehen keine markanten Gesichtszüge in seinem Antlitz und ja, er schämt sich all dessen. Also: etwas Fell, buchstäblich Schamhaar rein ins Gesicht und schon tut sich was in Selbigem. Stellen Sie sich das Gesicht des deutschen Kanzlerkandidaten Martin Schulz einmal ohne dieses merkwürdig zauselige Gespinst im Gesicht vor, das doch eher an einen Teppichrest als an einen Dreitagebart erinnert. Das ist eben wie eine Hauswand, die feucht ist, wo der Putz runterfällt und die Farbe abblättert und was macht man dann in der Not? Einen Busch davor pflanzen!
Der Bart ist für den Mann wirklich eine haarige Form der Interessantmacherei. Das gilt für die Hipsterbärte; für die, gerne im Grübchen des Kinns angepflanzten Ziegenbärtchen; für die Rauschebärte der Craft-Bierbrauer und Harley-Schrauber. Ein Mann muß schon einen deutlich eitlen Hang zu sich selbst als Kunstfigur haben: Bei Conchita Wurst is eh ois wurscht. Und wenn ein Mann wie eine Languste rumlaufen will? Bitte, dann sollte er schon einen Hang zum Surrealen haben und Salvador Dalì heißen, der meinte „ohne Schnurrbart ist ein Mann nicht richtig angezogen“. Wenn man aber nicht Dalì oder Wurst heißt, wird’s nicht surreal, sondern schnell lächerlich. Ich verstehe jedenfalls nicht, dass es tatsächlich Menschen gibt, die Dieter Zetsche mit seiner Gesichtsbürste zwischen Nase und Oberlippe ernst nehmen. Aber Ihr Kolumnist, das haben Sie ja schon gemerkt, nimmt ohnehin niemanden ernst.
Zurück zur Rotzbremse, dieser angeblichen Manneszier . Dass jenes Modell Vollwuchs à la Karl Marx, Leonardo da Vinci und Rübezahl eher unappetitlich ist, liegt auf der Hand. Männliche Scherze diverse Essensreste betreffend „hab ich mir zum Nachtisch aufgehoben“ haben auch einen Bart. Okay, Gott ohne Bart geht nicht, Mohammed ohne geht auch nicht und der Weihnachtsmann oben ohne ist ebenso undenkbar. Aber, brauchen wir diese Herren? Eben!
Der Bart hat keinen Bart bekommen und mit ihm bleiben uns männliche Utensilien wie Bartwichse, Bartbürste oder Bartbinde, um den wuchernden Oberlippenschmuck in die richtige Form zu zwingen, erhalten. Nun gut, ein gepflegter Dreitagebart hat schon ein gewisses Etwas. Er suggeriert: Ich bin drei Tage und vier Nächte nicht von der Frau oder von der Arbeit (oder beidem) losgekommen. Das ist männlich! Oder wie Philosoph Arthur Schopenhauer bemerkte: „Der Bart als Geschlechtszeichen mitten im Gesicht ist obszön. Daher gefällt er den Weibern.“ Stimmt ja auch: Starker Bartwuchs zeugt von hohem Testosteron-Spiegel und wird deshalb mit männlichen Attributen verbunden. Dennoch, Herr Schopenhauer, wir leben inzwischen in anderen Zeiten: Alle Studien bestätigten heute, dass Frauen glattrasierte Männer grundsätzlich attraktiver finden. Ich finde übrigens, dass es männlich ist sich aufzuregen, wenn eine Frau des Mannes Nassrasierer zur Intimrasur benutzt.
Aha, und nun noch ein Wort zum Damenbart , nachdem Sie hoffentlich bewundernd bemerkt haben, dass Ihr Kolumnist diesen Text schreibt, ohne die Manneszierde des „Gröfaz“ erwähnt zu haben... Natürlich ist der Damenbart eine absolute Horrorvorstellung! Ein totales Tabuthema! Eine Frau, die vom Damenbart gepeinigt ist, deren Schamhaar wächst auch gern bis zum Bauchnabel hoch. Warum sich Frida Kahlo oftmals mit Bart porträtierte, bleibt ihr Geheimnis oder Aufgabe von Kunsthistorikern. Das alles geht dann in Richtung „Hirsutismus“ (das googeln Sie mal wieder selber), denn da hilft dann auch kein Rasieren und kein Waxing mehr. Das sind aber Extrembeispiele und solchen wollen wir uns in dieser Kolumne nicht widmen.
Pascal Morché
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
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