QUIET WORDS

Alltags-Betrachtungen von Pascal Morché

Ich mach’s mit mir!

Sologamie - Für alle die sich wirklich lieben

Sologamie - Für alle, die sich wirklich lieben© Unsplash_Duo Chen

2023 ist da! Sind Sie auch am 31. Dezember mit einem kalten Glas Sekt frierend in der Kälte gestanden? Haben Sie sich auch auf einem Balkon oder auf einer Terrasse eine Erkältung geholt, weil Sie jedes Jahr an Silvester um Mitternacht draußen in der Kälte stehen? Haben Sie auch am 31. Dezember den kollektiven Countdown mitgemacht und einander Punkt 24 Uhr das saisonal Gebotene gewünscht? (Übrigens, Googeln Sie mal „Countdown “, Sie werden sich wundern, wer den Begriff 1929 erfunden hat).

Also, 2023 ist da, verlässlich stehen Osterhasen in den Regalen und ebenso verlässlich nimmt der Irrsinn auf der Welt zu. Ich verspreche Ihnen, ich werde mich hier auch weiterhin über die blödsinnigsten Dinge lustig machen. Sexueller und politischer Schwachsinn werden dabei kaum kommentiert. Ich will doch meine Leserschaft nicht verlieren. Ganz richtig: Beauty.at ist eine Insel der Schönheit und der Schönheitsthemen in dieser grauen, bösen Welt. In immer schnellerem Tempo wechseln schließlich Hypes und Trends und Moden. Es gibt für mich also genug, worüber ich schreiben kann.

Narzissmus, Eitelkeit und Selbstliebe, dazu ganz, ganz viel Einsamkeit, deutlich mangelnde Intelligenz und die völlige Unfähigkeit zur Selbstreflexion sind die sicheren Ingredienzen für den Cocktail der Verblödung. Diese Basics haben jetzt zu einem neuen Trend geführt, zur Sologamie.  Das schicke Wort aus solus (allein) und gamos (Ehe) bedeutet, man heiratet sich selbst. Ist ja auch logisch: Man kann sich zwar allein das Leben nehmen, aber nicht allein das Leben geben. Das kann einem richtigen Narzissten nicht gefallen. Wer sich wirklich selbst liebt, der möchte mehr von sich haben als nur Masturbation und Suizid. Folgerichtig heiratet der sich innig liebende Mensch sich selbst.

Sologamie, die Hochzeit mit sich selbst, ist die zwangsläufige Conclusio aus Einsamkeit und Narzissmus und wird vor allem in den USA praktiziert. Es ist übrigens ein Trend unter Frauen. Nachdem sich schon 2003 Sarah Jessica Parker als Carrie Bradshaw in „Sex and the City“ das Ja-Wort gab, wird fiction nun endlich von non-fiction überholt. Medienwirksam heiratete am 22. Juli vergangenen Jahres die Sängerin und Schauspielerin Selena Gomez sich selbst. Es war Gomez’ 30. Geburtstag und ganz traditionell und konservativ meinte die Braut „mit 30 muss eine Frau verheiratet sein.“ Auch das Model Adriana Lima hat sich das Ja-Wort gegeben. Inzwischen schießen in den USA (und in  Japan) als Start-ups Agenturen in die Höhe, die Solo-Hochzeiten anbieten: Aufgebot, Zeremonie, Hochzeitskleid, Hochzeitstorte, Foto-Session... das ganze Tralala, das da zeigt: Ich liebe mich! Ich heirate mich! Ich mach Hochzeit mit mir! „Die Braut darf sich nun küssen“, so könnten die Worte nach vollzogener Selbsthochzeit lauten. Und falls nun auch Sie sich in Deutschland oder Österreich zwecks Optimierungsmöglichkeiten in der schönen neuen Welt für Sologamie interessieren: Sie ist bei uns noch nicht anerkannt und führt auch noch zu keinen rechtlichen und steuerlichen Vorteilen.

Eine Ehe nach der Selbstheirat stelle ich mir extrem aufregend vor. Diese Ehe ist endlich das totale Glück für multiple Persönlichkeiten! Nun endlich kann ich den Begriff „ich bin 2 Öltanks“ verstehen. Ich kann einen Ehevertrag mit mir selbst gleich zweimal unterschreiben. Und wie großartig ist erst ein mit mir selbst geführter Ehestreit! Fantastisch! Im Sinne von Gottfried Benns Diktion „Spät erst erfahren sie sich / Bleiben und stille Bewahren/ das sich umgrenzende Ich“ kann ich mich nun im „mich umgrenzenden Ich“ ganz und gar nach mir richten. Sologamie, soviel Egozentrik war nie: Das Brimborium einer Hochzeit habe „ich“ gehabt und in meinem Eheleben mit mir selbst kann ich reisen wohin „ich“ will! Wohnen, wie „ich“ will! Endlich: Leben wie „ich“ will! Nur, das kann natürlich auch ziemlich fad werden...

Wirklich interessant ist die Scheidung einer Ehe, die man mit sich selbst geschlossen hat. Auch das (Ehe)leben kann man sich nur selbst nehmen. Heißt ja auch so: Bis dass der Tod uns scheidet.
#pascalmorche

ÜBER DEN AUTOR

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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