QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
Menopause / Menocore
Sag zum Abschied der Libido leise Servus und kleide Dich fortan in Sack und Asche. Muß das sein? Unser Kolumnist sagt: Nein !
Heißes Thema diesmal. Und dann noch von Ihrem Lieblingskolumnisten, also von einem Mann geschrieben: Menopause! Klimakterium! Wechseljahre!
Worte wie Hammerschläge, das glauben zumindest viele Menschen. Und zwar männliche „und“ weibliche. Aber erstmal zu mir: Ich als Mann glaube, dass ich nie aus der Pubertät raus- und in die Menopause reingekommen bin. Also, dieses pubertär Überschwängliche „Hi fucking world, ich komme!“ ist mir mein Leben lang so vertraut wie das „Good bye“, also die Melancholie des Welt- und Libido-Abschiedsschmerzes. Nicht unanstrengend so ein Leben bei gleichzeitiger Pubertät und Menopause. Aber immerhin hat es mir und meiner Umwelt auch einige Klischees und Peinlichkeiten erspart: Mit fünfzehn habe ich meine Haare nicht grün gefärbt und mit 55 habe ich mir keine Harley gekauft. Weiß nicht, ob ich das bedauern soll.
Nun schreibe ich ja hier über Frauen; und fast nichts tue ich lieber. Als passionierter „Milf-hunter“ (das googeln Sie jetzt mal selbst) liebe ich Frauen in der Menopause und auch nach derselben. (Warum, das erzähl ich meinem Psychotherapeuten). Ich mag Frauen wie Brigitte Macron. Ich mag Frauen, die nach der letzten Menstruation nicht meinen, das Leben und seine Lustbarkeiten seien nun für immer beendet. Ich mag Frauen, die offensiv und plakativ durchs Leben gehen. Die sich weiterhin sexy anziehen, die also auch in und nach der Menopause High Heels, Overknees, kurze Röcke und hautenge Hosen („cameltoe“, auch selber googeln) tragen. Oh, Brigitte M., je t’aime! Allerdings ist mir zum Thema Menopause auch aufgefallen, dass die Bösartigkeit unter Frauen in dieser Zeit nochmal eine ganz neue Qualität bekommt. Diese despektierlichen Blicke, diese bösen „Wie läuft die denn herum“-Bemerkungen und miesen „die hat’s aber nötig“-Gedanken von Frau zu Frau, sie nehmen in der Regel nach der Regel deutlich zu. Wahrscheinlich, so vermute ich, aus Neid. Aus Neid der Aschenputtel-Frauen auf die ewigen Zara-Weibchen.
Nun gibt es natürlich auch jene „reifen“ Frauen, die sich in den Wechseljahren „angemessen“ kleiden; und das heißt zumeist langweilig, unsexy und konform. Grauenvoll! Wenn der Östrogenspiegel sinkt, das Bindegewebe erschlafft und die Knochen porös werden, dann tragen sie unförmige Leinensäcke, Kittel, Strick und Pantoletten. Sie hüllen sich in sackartige, immer den Hintern bedeckende Strickjacken ohne Knöpfe und ziehen Hosen an, deren Schritt irgendwo in den Knien hängt. Das alles in Existenzialisten-Schwarz, Mausgrau oder Haferschleim-Beige. Gerne wird diese körperferne textile Langeweile dann aber „oh, wie sind wir mutig!“ mit orangerotem Korallenschmuck aufgepeppt. In München bieten Marken wie Oska oder Kandis&KandisMann solch körperverneinendes Textil an. Zum Weinen! Ich fürchte, ähnliche Läden gibt’s auch in Wien. Den Kunstlehrerinnen-Chic für Frauen über 50 mit Kurzhaarfrisur („ist ja soooooo praktisch“) und einem deutlichen, aus Frust geborenem Emanzipationstouch findet man überall. Wie gesagt: Die Brigitte Macrons dieser Welt würden so nicht rumlaufen. Und von diesen Frauen mit Mut zur Sexiness im Alter gibt es viele; und das macht mir (haben Sie Milf-Hunter inzwischen gegoogelt?) Hoffnung.
Wenig Hoffnung macht mir aber jener Modetrend, der zur Zeit kursiert und sich Menocore-Look nennt. Die Wortkreation Menocore stammt von Leandra Medine, einer Bloggerin, die vor sieben Jahren in der virtuellen Modewelt mit der Überzeugung startete, dass Frauen Mode lieben, die Männer hassen. So nannte Frau Medine ihren Blog konsequent ManRepeller („Männer-Abstoßer“). Und ihre Beobachtungen sind ja (leider) zum Teil ganz richtig und wahr. Es gibt tatsächlich zur Zeit viele junge Frauen, jene Yoga- und Instagram-süchtigen Latte-Macchiato-Mütter, die sich trotz Vollbesitz ihrer Fruchtbarkeit in besagten Kunstlehrerinnen-Chic hüllen. Frauen, die schon lange vor der Menopause in Sack und Asche rumlaufen wollen. Sie halten unförmige Leinensäcke am Körper für cool. Sexy müssen (und wollen) sie ja nicht mehr sein, denn viele von ihnen schieben ja sowieso bereits den Kinderwagen der Marke Bogaboo für 1.000 Euro.
Der Menocore-Look will eines nicht: Männern gefallen. Das kollektive Bedürfnis in der Masse unterzugehen, es bequem und kuschelig zu haben ist diesen, ihre Teetasse mit beiden Händen umklammernden Frauen gemein. Menocore ist alles andere als Hardcore. Vermeintlich emanzipatorisch glauben Menocore-Frauen jener Mode den Stinkefinger zu zeigen, die aufreizend, sexy und werbend ist und – Gott sei’s gelobt – von Dolce&Gabbana bis Zara weiterhin am Bügel hängt. Menocore-Frauen greifen lieber zum Blümchenkleid mit Spaghettiträgern, zu den weiten ausgebeulten Hosen und den ach so gesunden Sandalen. Zu Kleidung eben, von der sie glauben, daß bereits erwähnte Kunstlehrerinnen oder Sozialarbeiterinnen in den Wechseljahren sie tragen würden. Wofür schließlich noch geile Klamotten anziehen? Sex war gestern. Das Ergebnis schieben sie ja schließlich stolz vor sich her. Mission accomplished. Und nun modisch den Rest des Lebens: menocore. Das ist dumm für mich und alles andere als eine Augenweide. Aber mir zum Trost: es gibt ja auch viele Frauen, die weiterhin Brigitte Macron zum Vorbild haben; Frauen in Lederleggings mit Freude am Leben und offensichtlich auch mit Freude am Sex.
Pascal Morché
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
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