QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Feuer

Es gibt Männerdomänen, die haben Frauen bisher noch nicht erobert. Zum Beispiel Formel-1-Rennen zu fahren oder zu Grillen. Während es aber nur noch eine Frage der Zeit ist, dass eine Frau Sebastian Vettel ihr Auspuffrohr zeigt, wird sie es wohl nie an den Grill im Garten bringen. Hier zu brandschatzen und gastronomischen Feuerzauber zu veranstalten, bleibt ausschließlich Männern vorbehalten. Männern, die meist einen Bogen um den Herd in der Küche machen.

Weber Grill

Der Bogen ist ja auch verständlich: Ich zum Beispiel kenne nur 0,5 Liter als normale Biereinheit und da fällt es mir nun einmal nicht so leicht, 3/8 Liter oder 375 Milliliter abzumessen. Dass Mehl "angeschwitzt" und Suppe "abgeseiht" wird, ist nicht unbedingt unser Thema, wie wir Männer uns auch generell gegen diese Kochbuchsprache des "Faconnierens", "Pochierens", "Gratinierens" und "Tranchierens" sperren. Das ist den meisten von uns alles nicht elementar genug.

Elementar ist Feuer. Das war am Anfang von fast allem. Wer das Feuer hat, der hat – seit Prometheus es den Göttern entriss – die Macht. Die kontrollierte Verwendung des Feuers zu Grillzwecken war der entscheidende Schritt zur Zivilisation. Diesen Schritt haben wir Männer gemacht und wir sind vor dem Gartengrill zum Stehen gekommen. Kaum dass die Temperaturen auf zehn Grad Plus und mehr klettern, erinnern wir uns der Tage, als wir noch wirklich Männer waren. Wir fahren zum Supermarkt, wo uns an der Fleischtheke jener Jagdtrieb überkommt, der unser Überleben schon früher sicherte. Wir ordern Unmengen von Koteletts und besorgen an der Tankstelle einen Sack Holzkohle und vier Kasten Bier. Und weil Euer Kolumnist weiß, „wie“ infantil Männer sind, darf auch das nicht fehlen: Wild entschlossene Grillmeister binden sich zuhause gerne die kanarienbunte Scherz-Schürze mit der Aufschrift "Ich bin Mamas Lieblingskoch" um. Dann werden Freunde und Nachbarn eingeladen und – trotz grauer Wolken und drohenden Tiefdruckausläufern – die Grillsaison für eröffnet erklärt.

Ehrensache für richtige Männer, dass sie mit Kohle Grillen , denn das wichtigste bei dieser duftenden und dampfenden Freizeitbeschäftigung ist die Glut. Die „richtige“ Glut. Nur sie führt am Würstchen auch zu Verbrennungen dritten Grades. Wahrscheinlich fehlt es Frauen am rechten Gefühl für die Hitze. Genau wie diesen Weicheiern, die unsensibel mit Elektro oder Gas grillen. In Barbecue-Kreisen sind sie die Warmduscher.

Nur Feuer entzündet in Männern wirklich archaische Gefühle : Beim Grillen im Garten sind wir wieder in der Steinzeit angekommen und der "Herr der Sippe", also der "Verteiler der Nahrung". Heiß lodert an diesem atavistischen Lagerfeuer unsere Infantilität und wir fühlen uns wenigstens  Winnetou, den Trappern oder den Pfadfindern nah.

Der Kulturwissenschaftler Ulrich Tolksdorf hat schon in den siebziger Jahren in seinem Buch "Grill und Grillen oder Die Kochkunst der Distanz" bemerkt, was Männer an den Garten-Grill treibt: „Ein hohes Maß an Selbstdarstellungsbedürfnis und Wettbewerbsdenken.“ Jawohl, genau das scheint Frauen beim Grillen völlig fremd zu sein: Wettbewerbsdenken und Selbstdarstellungsbedürfnis! Ließen sie sich sonst zum Gemüse-schälen abkommandieren, oder zum Umrühren von Kartoffelsalat verbannen?

Wir Männer messen uns gerne mit anderen Männern. Dass ist der Grund dafür, dass die erste schmale Rauchsäule, die aus einem mit zwei tiefgefrorenen Würschtln belegten Holzkohlegrill aufsteigt, regelmäßig zu einem Signal an die Nachbarschaft wird, sich am Wettstreit ums gegrillte Lammkotelett zu beteiligen. Wettbewerbsdenken erklärt auch, warum die "ABA –Austrian Barbecue Association" so fest in Männerhand liegt wie Fleischwender und Würschtlzange.

Wo es einen Wettbewerb zu bestehen gibt, da regt sich der unbedingte männliche Siegeswille. Grillen ist eine Machtdemonstration: Ich bin der Boss hier in meinem Garten, auf meiner Terrasse; ich bin der Herr des Feuers. Das soll bei einer Grillparty nicht nur innerhalb der Familie wieder unerbittlich klargemacht werden. Auch unter Nachbarn führt das Freiluftbrutzeln zu Rivalitäten, zu Kleinkriegen, zu Klagen und Zivilprozessen.

Frauen können solch elementar dargestellte Machtdemonstrationen von Pyrotechnikern wohl nicht ganz verstehen, vielleicht sind sie ihnen auch einfach zu blöd . Und wahrscheinlich geben sie sich deshalb damit zufrieden, bei der Grillparty nur den Kartoffelsalat auszuteilen oder die Fleischmarinade herzustellen. Vielleicht wollen sie aber auch nicht zu den rund 1.000, zumeist männlichen Grillverletzten gehören, die in Österreich alljährlich in Kliniken behandelt werden müssen. Frauen sind eben viel zivilisierter. Den Weg von der Steinzeit zum Gartengrill gehen sie einen Schritt weiter – und stehen vor einem schönen Elektroherd. Wild wie wir Männer aber nun einmal sind, können wir ihnen nicht immer dahin folgen – denn Wildnis ist immer outdoor. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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