QUIET WORDS
Alltags-Betrachtungen von Pascal Morché
Mehr Pausieren
Es ist dringend nötig! Aber wie macht man’s richtig?
Seien Sie ehrlich: Haben Sie mich vermisst? Haben Sie diese Kolumne, diese „quiet words“ vermisst? Die letzte Kolumne ist schon eine Zeit lang her. „Der Sommerpo “. Vielleicht nicht die aufregendsten „quiet words“, aber doch irgendwie lustig. Ich will Sie mit diesen Zeilen immer zum Lachen bringen; oder wenigstens zum Schmunzeln. Also, ich habe seit dem „Sommerpo“ eine Pause gemacht. Schon das nervt mich: das man sie „macht“, die Pause. Sogar die muss man „machen“. Oh, diese ewige Verdammnis zur Aktivität: zum Machen! „Pausieren“ klingt zwar eleganter, ist aber ein Verb – also ein Tätigkeitswort. Ein Tätigkeitswort für Untätigkeit! In der Pause sind die „quiet words“ verstummt. Ihr Kolumnist aus der Piefkei, von der man nur voller Sehnsucht nach "Felix Austria" blicken mag, er machte also Pause vom Schreiben, Pause von Wien, eigentlich von allem. Dabei will er ja nur eine Pause von sich selbst machen. Geht aber nicht; bis auf ein paar Stunden im Schlaf. Die Pause als Kontrast zum Alltag, als Mittel zum Zweck des Besonderen. Bekanntlich zum Zweck der Regenerierung oder der Besinnung, des Nachdenkens oder des Insichhineinhörens. Alles sehr, sehr anstrengende Tätigkeiten!
Die Pause ist eine Oase im Zeitfluss, auf dem man inzwischen permanent River-Rafting macht . In dieser Oase findet man Muße darüber nachzudenken, was war, was ist; auch was sein sollte oder wenigstens sein könnte. Ihr Kolumnist stand nun also in dieser Oase und der Fluss um ihn herum tobte so unerbittlich weiter. Manchmal wird einem dann klar: Es muss etwas geschehen, aber es darf nichts passieren. So tritt man auf der Stelle.
Vielleicht ist die Pause aber auch genau dafür da, um auf der Stelle zu treten. Im Theater oder in der Oper kann man sich dabei erfrischen. Manche Autoren schreiben pausenlose Werke. Wahrscheinlich haben sie Angst, dass ihnen in der Pause ihr Publikum abtrünnig wird. Georg Kreisler: „Wieder eine Pause/Manche gehen nach Hause/Manche trinken Brause/Das ist der Zweck der Pause.. .“ Und tatsächlich kommen einige dann einfach nicht wieder zurück, wenn das Klingelzeichen sie ruft. Wer vor der Pause mit dem Stück auf der Bühne unzufrieden war, der wird es danach wahrscheinlich immer noch sein. Also nutzen sie die Unterbrechung des Theaterabends als Sprungbrett zur Flucht. Ihr Kolumnist bleibt immer im Theater, bis zum (mitunter) bitteren Ende. Aber auch wenn man das Sprungbrett zur Flucht nicht genutzt hat, so ist man immerhin einmal darauf gestanden. Auch dafür ist die Pause gut. Wie jede Unterbrechung, ob man sie Urlaub, Ferien oder gar Sabbatical nennt. Leider stehen die Chancen nicht schlecht, dass man nach einem Urlaub, nach einer Pause noch erschöpfter ist als zuvor. Warum? Weil wir auch an eine Pause vom Alltag nur Ansprüche stellen. So kommt man nie zu den ersehnten Ferien vom Ich. Und „Ferien vom Ich“ heißt eine bezaubernde Filmkomödie. Sie stammt aus dem Jahr 1952; heute würde man solch banales Zeug nicht mehr drehen. Unsere Zeit ist pausenlos nicht mehr so harmlos wie vor 70 Jahren.
Zur Eingangsfrage: Haben Sie mich vermisst in der Pause? Natürlich will man vermisst werden. Auch ich! Nur wer vermisst wird, der wird schließlich auch gebraucht. Schreiben Sie doch an [email protected] , was ich, Ihr mit zuverlässiger Unregelmäßigkeit hier schreibender Kolumnist, besser oder zumindest anders machen sollte, könnte, müsste. Ich habe zwar Pause gemacht, wollte dem Alltag entkommen „und bin so klug als wie zuvor“. Auf bald! Das nächste Mal geht’s hier wieder um Konkretes. Wir machen dann (nach dem „Sommerpo“) weiter mit Körperteilen. Nicht mit dem perfekten „Herbstgesicht“, aber vielleicht mit den Zähnen von Dr. Smile und wie das perfekte Lächeln dank einer Zahnschiene ab 33,-- Euro monatlich gelingt.
ÜBER DEN AUTOR
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
eMail [email protected]