QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
Verpackungsverordnung – Notizen aus der Unterwelt
Ich mag keine nackten Menschen ; oder milder ausgedrückt, sie turnen mich nicht sonderlich an. Erotische Lokalitäten, die bereits auf ihrer Website „Kein Nacktzwang“ verkünden, sagen mir eher zu als FKK-Strände und Swingerclubs und ich bin im übrigen der Meinung, dass der Reichstag in Berlin nur ein einziges Mal wirklich interessant war: Als der Verpackungskünstler Christo ihn verhüllt hatte. Sie mögen in ihrem Lieblingskolumnisten einen Freund der Verpackung erkennen!
Ich liebe Frauen, die Kleidung tragen, welche ihre Nacktheit unterstreicht . Ein Strumpf ist allemal erotischer als kein Strumpf, und ich beneide Frauen um ihr textiles Waffenarsenal an Kleidung für drunter und drüber. Bei uns Männern ist dieses Thema eher trostlos. Besonders drunter! Sich einen Mann in Unterhosen vorzustellen, vor dem man sich fürchtet, ist ein alter Trick, und er verrät: In Unterwäsche kann ein Mann verdammt lächerlich aussehen. Er ist meist eine Katastrophe und deshalb ein beliebter Komödiengag – von Cary Grant bis Uwe Ochsenknecht. Da hat die Frau etwas zum Lachen; doch letztlich gibt es auf textilem Gebiet „untenrum“ bei uns Männern wenig Anlass zur Freude. Sehr wenig.
Viele deutsche und auch österreichische Mittelstandsmonster männlichen Geschlechts haben es zwar nach intensivem Lifestylebrainwash zu ein paar Designersakkos gebracht, doch wie es drunter aussieht? Oh, Gott: Mehr als vier Unterhosen legt sich der Mann laut Statistik des Fachblattes „Textilwirtschaft“ nicht zu. Po und Genital, was uns eigentlich am nächsten ist, wird am wenigsten von uns modemäßig kultiviert. Vierzig Euro geben wir Männer im Jahr für Unterwäsche aus. Eine magere Zahl, bedenkt man, wie locker uns das Geld für Autozubehör sitzt.
Schon der Wäschekauf geht beim Mann meistens in die Hose. Siebzig (!) Prozent von uns bekommen die Unterwäsche von Frau oder Freundin gekauft. Das Ergebnis sind Tigertangas, mit denen man allenfalls in einem Swingerclub in der Provinz reüssiert, oder das Sechserpack Unterhosen für zehn Euro vom Wühltisch: superbrav, superbillig und absolut nicht supergeil, sondern bunt und selten formbeständig. Sind wir Männer uns nicht mehr wert? Investieren wir so gar nicht in die Verpackung unserer „bijoux de famille“, unseres „Familienschmucks“, wie die Franzosen das Protoplasmagehänge zwischen unseren Beinen nennen?
Der Blick in die Sammelumkleidekabine eines jeden Fitness-Centers möge Euch Frauen erspart bleiben. Tote Unterhosen: Verwaschen, ausgeleiert und immer noch bedruckt mit solch infantilen Scherzen wie Osterhasen oder Igeln, die Igelinnen a tergo nehmen. Das muss nicht sein!
Erinnern wir uns noch an den Edelrapper Marky Mark Ende der 80er-Jahre? Ein Ruck ging damals durch die Wäschebranche. Wir Männer schöpften Hoffnung und ihr Frauen noch viel mehr! Schiesser-Doppelripp mit Eingriff wurde der Kampf angesagt: Mit auf Halbmast hängender Hose und Calvin-Klein-Logo auf dem Stretchbund darüber avancierte die Marke zum Kultlabel. Erst eroberte sie Artdirektoren und Werber, die sich inzwischen ihrer Philippe-Starck-Zitronenpresse zu schämen begannen und nach subtilerem Lifestyle suchten, dann öffnete Calvin Klein eine ganze Nische im Männerwäschemarkt. Mancher Hersteller legte den bis dato senkrechten Eingriffschlitz waagrecht. Der Bauchbeutel weiblicher Kängurus galt allen Ernstes als Vorbild, die meisten verzichteten fürderhin aber ganz auf den Eingriff; der Mann zöge zum Urinieren sein Geschlecht ohnehin über den Gummibund. Ach Gott! Eine Wäsche-Revolution, die verpuffte.
Bis heute ist der Zugang in die Drunterwelt der Marktforschung schwer verschlossen geblieben. Frauen, heißt es, stünden vor allem auf eng anliegende Shorts bei uns Männern. Am liebsten in der Farbe Weiß. Jede vierte Frau findet Boxershorts sexy. Tangas, Bodys und G-Strings mögen dagegen nur drei bis sechs Prozent aller Frauen an uns, das ergab zumindest eine Umfrage. Und der erotische Ernst- und Pflegefall bleibt ohnehin jener Mann, der zuerst die Unterhose auszieht und danach die Socken. Über diese Fußnote zur Geschichte männlicher Geschmacklosigkeiten will ich jetzt gerne schweigen.
Ach, Ihr wundervollen Frauen, die Ihr Dessous und Lingerie hautnah an Euren Körper habt und tragt; die Ihr Intimissimi, La Perla und Chantal Thomass hautnah an Eure Körper lasst. Ich könnte fast zum Crossdresser werden angesichts Eurer Corsagen, Bustiers, Chemisettes, Bodys, Pantys, Hipster, Strings, Slips... ich beneide Euch um die Möglichkeiten Euch sexy zu verpacken. Der überaus verehrte Karl Kraus hatte ja so recht: „Es kommt bei einer Frau nicht nur auf Äußerlichkeiten an. Auch die Dessous sind wichtig.“ Für uns Männer gilt das übrigens auch – aber leider begreifen wir das nicht. #quietwordspascalmorche
Pascal Morché