QUIET WORDS
Betrachtungen des ultimativ Weiblichen
QUIET WORDS
ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ
Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser
die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier
exklusiv niederschreibt.
Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.
Herdanziehungskraft
Kochende und backende Männer
Frauen an den Herd! Wirklich? Wer - außer Sarah Wiener - steht denn da am Herd? Männer!
Zunächst wieder einmal etwas in eigener Sache , denn Sie suchen doch sicher noch ein Weihnachtsgeschenk für Ihren Mann? Oder für Ihren liebsten Geliebten, Ihren wunderbaren Freund, für Ihren hoffentlich heißblütigen Lover, den lieben Bruder oder für Ihren wohlgeratenen Sohn? Soeben ist ein wunderschönes, neues Buch erschienen: „Das Original Sacher Backbuch“ (Verlag Gräfe und Unzer, 24.99 Euro).
Das Buch enthält über 70 Original Back-Rezepte für Kuchen, Torten und Mehlspeisen aus dem Hotel Sacher, einem der bekanntlich berühmtesten Hotels der Welt und es macht nun endlich möglich, die beliebten klassischen Rezepte zuhause nachzubacken: Von Apfelstrudel und Palatschinken über Nockerl und Mehlspeisen bis zu Cremeschnitten, Malakoff- oder Dobos-Torten. Mit diesem literarisch-kulinarischen Backwerk kann man das Flair der wunderbaren Sacher-Süßspeisen und ihre Tradition zu Hause erleben. Natürlich ist auch die Sachertorte dabei – obschon das Original-Rezept von 1832 nach wie vor ein streng gehütetes Geheimnis ist.
"Das Original Sacher Backbuch“ enthält aber nicht nur Rezepte , sondern es erzählt auch viele Geschichten und Anekdoten rund um das berühmte Traditionshotel, über Süßspeisen und Wiener Kaffeehäuser. Diese Geschichten habe übrigens ich, Ihr Kolumnist, in meiner unerschütterlichen Liebe zu Österreich, seiner Kultur und seinen Gaumenfreuden verfasst. Und ich meine: Das Buch ist (auch) das ideale Geschenk für einen Mann. Warum?
Weil vor allem der Mann inzwischen der Herdanziehungkraft verfallen ist.
Oder fallen Ihnen auf Anhieb – außer Sarah Wiener und der Hexe in Hänsel und Gretel – berühmte Köchinnen ein? Eben! Der Mann hat die Küche erobert. Überall findet man sie, die kochenden und backenden Männer. Ich rede jetzt nicht von den vielen Stars, jenen Witzigmännern vom Schubeck (Alfons) bis zum Lafer (Johann) oder vom Oliver (Jamie) bis zum Lichter (Horst). Ich rede vom heimischen Herd, von der Küche zuhause! Dort gehen Männer inzwischen indoor ihrer Leidenschaft nach, denn outdoor, im Sommer am Grill, sind die Tage saisonal begrenzt. Ist doch auch schön so. Denn, wo ist der ‚gemütlichste’ Ort einer Wohnung? In der Küche. Wo zeigt sich heute in einem Haus Lebenstil und Statusbewusstsein des Besitzers am deutlichsten? In der Küche. Und wo endet schließlich jede gute Party? In der Küche.
Wir erinnern uns mit Grausen: Noch in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts galt die Küche als Hort kleinbürgerlichen Miefs und war gezeichnet von der Verachtung für die dort verrichtete weibliche Arbeit. Sie sind längst vorbei, die Zeiten, als die Frau im 8-Quadratmeter-Arbeitsraum Küche weggesperrt war, um dort, im Licht eines Neonrings, den Toast Hawaii mit der Cocktailkirsche zu zaubern – während die Männer, auf das Essen wartend, sich im Wohnzimmer einen Chantré genehmigten. Längst haben nämlich Männer Geschmack am Kochen entdeckt; – Frauen und Küchen emanzipierten sich.
Wohin entwickelt sich also die Küche?
Die Antwort der Küchenbauer unisono: „Zum Zentrum des häuslichen Lebens“ – denn das Zentrum des mobilen Lebens steht ja in der Garage. Weil man sich dort jedoch mit seinen Mitmenschen eher selten versammelt, holt man sich zum Zwecke statusbewußten Angebens jetzt den Boliden ins Haus. Poggenpohl zum Beispiel hat ein besonders schnittiges Küchenmodell im Programm: die p‘7340, die Porsche-Küche. Über Jahre haben die Designer und Konstrukteure von Poggenpohl und Porsche-Design diesen Opferaltar des Medium-Steaks entwickelt – und zwar gezielt für den Mann als Küchenkunden! „Porsche-Design richtet sich an moderne männliche Kunden“, so hat der Küchenbauer seine p’7340 genau an der Schnittstelle der geschlechterspezifischen Begehrlichkeiten platziert. Zumal der Küchenhersteller mit jeder Menge Männerspielzeug im Möbel lockt: Die Küche (Einstiegspreis um die 50.000 Euro) verfügt also über viel High Tech, das richtige Kerle anmacht: Sensortasten, Audio-Video-Systeme, digitale Kühltemperaturregler und dergleichen technischen Schnickschnack mehr. „Wir haben eine Küche entwickelt, die der funktionalen Formensprache der Männer entspricht“, sagt Poggenpohl. So musste es ja kommen.
Seine Scheu vor Küchengeräten verlor der technik-affine Mann spätestens in den 1980er-Jahren
, als er die Ventile und Schräubchen verchromter italienischer Espresso-Maschinen von Pavoni oder Gaggia mit einer Hingabe bediente, die er sonst nur einer Harley-Davidson gewidmet hätte. Männer aller Generationen sind es, die in TV-Kochshows die Löffel schwingen und die Petersilie hacken. Vor allem aber brabbelt der höhergebildete und besserverdienende Mann nach fast vierzig Jahren Lifestylebrainwashs die Wörter „Design“ und „Loft“ und setzt damit Zeichen urbanen Denkens und Wohnenwollens. Der schönen Lifestyle-Welt aus Wille und Vorstellung arbeiten die Küchenbauer seit Jahrzehnten entgegen. Auch wenn sämtliche Hersteller von Premiumküchen jene Kunden kennen, bei denen noch Jahre nach dem Einbau einer Luxusküche die Betriebsanleitung unberührt im Backofen liegt. Kommen Gäste – wird Catering bestellt; und sind die stolzen Besitzer in ihrer Luxusküche allein – dann heißt es nicht selten: „Schatz, lass uns essen gehen.“
Dennoch: Der heutige Idealzustand aber ist der Mann als Hobby-Haubenkoch an seiner Werk- und Hobelbank, die sich nur zufällig Küche nennt.
Diese moderne Küche hat eigentlich nur seine Liebe zu Hobbyraum und Werkstatt abgelöst. Beim Kochen und Backen kann der moderne Mann Kreativität, handwerkliches Geschick und technisches Verständnis zeigen. Er weiß, dass er dabei hemmungslos sensibel und sinnlich sein kann, ohne je als Softie zu gelten. Der kochende Mann ist endlich wieder dort angekommen, wo er archaisch sowieso immer hingehörte: an der Feuerstätte! Ist es da ein Wunder, dass Sie, liebe Leserin, einem Mann mit einem Kochbuch eine große Freude machen? Oder dass Sie ihn gar zu Weihnachten unbedingt mit dem brandneuen „Original Sacher Backbuch“
beglücken sollten? Es ist ja nicht zu Ihrem Schaden, liebe Leserin, wenn sein Kaiserschmarrn gelingt. #quietwordspascalmorche
Pascal Morché