QUIET WORDS

Alltags-Betrachtungen von Pascal Morché

Namen

Sind sie wirklich (nur) Schall und Rauch?

Namen - sind sie wirklich nur Schall und Rauch?© Unsplash_Panne_Ga

Erstmal etwas über mich: Sie kennen mich hier als Pascal. Das soll auch so bleiben, wenn Sie diesen Text zu Ende gelesen haben werden. (Sie sehen, ich rette das Futur II, wo es nur geht). 

Also, ich habe aber vier Vornamen: Willy, Gustav, Friedrich, Pascal. Wenn einem diese namentliche Vielfalt in die Wiege gelegt wird, dann ist doch ein Leben als Identitätsproblem quasi vorprogrammiert. Wie habe ich sie alle beneidet, die normale Namen hatten: Peter, Christian, Wolfgang oder so. Willy fand ich blöd, war 50er-Jahre-Witzigkeit: „Willi und die Radfahrer“. Willy Brandt als politische Lichtgestalt gab es auch noch nicht, als ich mich für Pascal entschied. Gustav kam mir arg altväterlich vor, ich musste immer an Krupp denken. Friedrich? „Der Friederich, der Friederich, das war ein arger Wütherich!“ las ich im „Struwwelpeter“. Ein absoluter Widerling, dieser Friedrich: riß Fliegen die Flügel aus, schlug Vögel tot, Katzen litten große Not und sein Gretchen (Schwester?) peitschte er. Mit dem „bitterbösen Friedrich“ wollte ich nichts zu tun haben. Blieb Pascal übrig. Hab’ den Namen meiner Mutter, einer Schauspielerin, zu verdanken. Passt auch gut zur hugenottischen Substanz des Nachnamens und deswegen, geschätzte Beauty.at-Leserin, ist das auch hier wieder eine Kolumne von Pascal Morché.

Man muss dem Kind einen Namen geben. „Der Name ist’s, der Menschen zieret, weil er das Erdenpack sortieret – bist du auch dämlich, schief und krumm: Du bist ein Individum“, soweit, politisch unkorrekt, Kurt Tucholsky. Zum Sortieren des Erdenpacks kommen wir gleich: „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose“, dieser Spruch stammt von Wissenschaftlern der Universität Oldenburg. Der Begriff „Kevinismus“ (auch Chantalismus) hat sich in der Soziologie etabliert: Wer Kevin heißt, stammt eher aus bildungsfernen Schichten, war tatsächlich oft allein zu Haus und dort mit Fernbedienung und Chips auf dem Sofa. Ja, Namen fördern Schubladendenken, deshalb sollte man den Philosophen Platon beherzigen: „Die Namenerteilung ist kein gleichgültiges Anliegen und sollte nicht vom Zufall abhängen.“ Und auch von keinem Hollywood-Film.

Es gibt verbotene Namen, in Deutschland wie in Österreich, und nicht selten appellieren Standesbeamte an die Vernunft der Eltern. Allerdings wurde in Österreich zum letzten Mal 1984 der Name „Pumuckl“ vergeben. Nun ja... Als Richtlinie bei der Vergabe von Vornamen gilt, dass Bezeichnungen, die dem Wohl des Kindes schaden können, nicht gewählt werden dürfen. Dennoch wurden von Standesämtern Namen wie Dee-Jay, Tarzan, Chanel, Pepsi-Carola oder Champagna akzeptiert. Man mag den Kopf schütteln, aber ein Jimi Blue muss ja irgendwo legitimiert sein; was ja verständlich ist, wenn die Eltern im Nachnamen Ochsen knechten oder von Ochsen gar geknechtet werden. Zu den verbotenen Namen gehören in Deutschland und in Österreich beispielsweise Bierstüberl, Judas, Lenin, Majesty, McDonald, Nutella, Satan, Sputnik oder Steißbein. Nun, wie müssen Eltern „drauf sein“, die ihr Kind Bierstüberl, Steißbein oder McDonald nennen wollen? Manche Eltern möchten auch Humor beweisen, was aber ins Auge gehen kann, wenn der Nachname Schweiß ist und der Bub nun unbedingt Axel heißen soll; oder die Eltern namens Wurst nennt ihren Sohn Hans. Alles schon mal vorgekommen. Ich habe einen Freund, er heißt Panse und seine Eltern tauften ihn Jim.

Sein Kind Adolf zu nennen, ist auf Grund der langen Tradition dieses Namens grundsätzlich nicht verboten. Zu welchen Kalamitäten allein die Überlegung dieses kontaminierten Vornamens führt, zeigt die wunderbare Filmkomödie „le prenom“, „Der Vorname“. Im Ausnahmefall kann die Behörde den Namen Adolf aber ablehnen, wenn konkrete Hinweise auf rechtsextremistische Tendenzen der Eltern vorliegen. Wer also Standesamt oder Magistrat betritt, um den Buben auf den Namen Adolf anzumelden, sollte vielleicht den Schäferhund daheim lassen.

Was tut man seinem Kind nur an, wenn man ihm keinen „irgendwie neutralen“ Namen gibt. Der Name ist „ein Stück des Seins und der Seele“, befand Thomas Mann und Schriftstellerkollege John Steinbeck schrieb: „Ich bin mir nie ganz klar darüber geworden, ob der Name sich nach dem Kinde formt, oder ob sich das Kind verändert, um zu dem Namen zu passen.“ Es ist wirklich geheimnisvoll, dass (und wie) der Name irgendwann zur Person passt. Deshalb ist es auch nicht einfach, später an diesem Namen herumzukratzen, ihn gar völlig zu ändern. Erstens muss man nachweisen, dass einem der Name schadet (Hella Wahnsinn) und dann kostet eine Namensänderung bei der Behörde oder dem Magistrat mehrere hundert Euro.

Ihr Kolumnist hat einen Freund, der Michael Holzapfel heisst. Michael machte sich in den 80er-Jahren von Bagwahn beseelt nach Poona auf. Von dort kam der Michael zwar nicht erleuchtet, aber doch als Swami Narjan zurück. Wenn ich heute Michael auf seinem rostigen Fahrrad in München treffe und ihn Swami rufe, dann ist ihm das irgendwie peinlich. Auch andere Metamorphosen gibt es: Der ehemalige Siemenschef wurde als Josef Käser geboren. Für einen Globalplayer aus Niederbayern ist das natürlich nicht internäschenäll genug und so nannte sich der Mann dann bald ganz chic Joe Kaeser. Ja, modern times: Tesla-Chef, Twitter-Besitzer und Weltraumpionier Elon Musk und seine Gemahlin, die wonnige Maid Grimes gaben ihrem Sohn die Namen „X AE A XII“ ausgesprochen Ex-Eye. Warum das so ist und was es bedeutet: Googeln Sie selbst!

„Der einzige Name, der einen Menschen wirklich charakterisiert, ist sein Spitzname,“ befand der Theaterregisseur Boleslaw Barlog. Stimmt! Hierzu empfehle ich die Beauty.at-Kolumne „Kosenamen“   von Pascal Morché.

#pascalmorche

ÜBER DEN AUTOR

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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