QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Aussteigerinnen

Es ist wieder Ballsaison und mit ihr lauert eine der gemeinsten Frauenfallen : Die Autotür! Schnell muß es  gehen, das Aussteigen aus dem Auto, und das ist nicht einfach. Frauen wissen nämlich ganz genau, dass Männeraugen dann immer auf die Grätsche warten. Ja, dass Männer eben nur das Eine wollen: einen Blick bis „obenhin“ wagen; einen frechen Einblick also.

Frauenfalle Aussteigen© iStock_FangXiaNuo

Frauen wissen auch, dass beim Aussteigen drei Faktoren entscheiden, ob der Mann die Aussteigerin als Schlampe oder als Verklemmte sieht, ob als Elegante oder als Gewandte. Denn ich schreibe immer ehrlich und schonungslos, „wie“ banal wir Männer doch ticken: Autotür auf, Schublade zu.

Es sind drei tückische Faktoren , die der Frau das Aussteigen aus einem Auto schwierig machen: Autositz (zu tief); Rock (zu kurz oder zu hoch geschlitzt); Beine (zu lang). Vorfahren und einfach aussteigen? Um zu wissen, wie schwer das ist, muß vor der Autotür nicht unbedingt der rote Teppich liegen, der zu goldenen Bambis, Palmen oder Kameras führt oder den Weg zum Opernball weist. Die toughste Drei-Wetter-Taft-Frau und jede normale Aussteigerin denkt im Moment einer tausendfach erledigten Bewegung an ein Wort, das in Vergessenheit geriet: sittsam. Ja, sittsam soll‘s sein. Sie will eben nicht wirken wie Dolly Buster einmal beim Wiener Opernball und auch nicht so tiefe Einblicke gewähren wie Fergie oder Ivana Trump es bereits taten. Also: Wie kommt eine Frau in kurzem Rock oder hochgeschlitztem Kleid aus einem Auto raus, ohne daß der Sharon-Stone-Effekt aus „basic instinct“ auch nur für Sekundenbruchteile aufblitzt?

In erotischer Hinsicht spielen die Beine eine bemerkenswerte Rolle. Unweigerlich werden sie von uns Männern mit Sexualität in Verbindung gebracht. Der Grund dafür liegt ganz einfach an der Stelle ihres Zusammentreffens. Deshalb wurden (und werden) in Benimmbüchern viele Seiten damit bedruckt, Frauen den richtigen Gebrauch ihrer Beine beizubringen. Alle kommen zu dem Fazit, dass es zu guten Umgangsformen gehöre, jede Haltung mit gespreizten Beinen möglichst zu vermeiden. (Übrigens gibt es in Deutschland den Verein „Reiten im Damensattel“ und – tu felix Austria – die zuchtvoll züchtige „Interessengemeinschaft zur Förderung des Reitens im Damensattel in Österreich“). Doch runter vom Pferd!

Selbst wenn  heute noch im südlichen Italien ältere Frauen manchmal auf der Vespa im Damensitz die Sozia geben: Die Technik war der Emanzipation immer einige Schraubendrehungen voraus und öffnete modernen Frauen die Beine. Technik förderte Emanzipation: Frauen schwangen sich breitbeinig auf‘s Fahrrad,  auf‘s Motorrad, ins Flugzeug- und Raketencockpit. Dabei trägt Frau heute enge Hosen und die Frage „wieviel Bein zeige ich?“, sie hat sich erübrigt. Aber sonst?

Die Frau, die zu besonderen Anlässen, die zum Ball, ins Theater, in die Oper oder zu einer Soiree fährt, sie ist elegant gekleidet und trägt meist Rock oder Kleid. Eine Kutsche würde ihrem Outfit besser stehen. Aber sie steigt nicht mehr von einer Kutsche herab, sondern aus einem PS-Monster herauf. Welche Frau hätte jemals dabei als Aussteigerin vorteilhaft gewirkt? Zumal es heute (mit Ausnahme der Londoner Taxis) kaum noch Autos gibt, die Frauen  ein elegantes, vielleicht altmodisches, aber doch kutschenähnliches Aussteigen ermöglichen. Frauen werden genötigt, sich von unten - aus der Tiefe einer Rückbank oder eines sportlichen Schalensitzes -  nach oben aus dem Auto zu schwingen; oder häufig zu zwängen.

Und da ist er dann: der erotische Moment der textilen Lücke : Eine Frau will aussteigen, doch ihr Kleid möchte noch ein wenig im Wagen verweilen. Fast jedes Kleid zeigt bereits während der Fahrt deutliche Tendenzen, sich von seiner Trägerin zu lösen. Es verschiebt sich zwangsläufig beinaufwärts. Das hat nichts mit Gravitationstheorie zu tun, sondern mit dem Verhältnis des Kleiderstoffs zum Sitzbankbezug. Mit Velour bezogene Sitze sind besonders gefährlich. Vorsicht:  Klettverschluss-Effekt! Aber auch Sitze aus Leder haben ihre Tücken: Frau kann glatt kleben bleiben. So bleibt es eben ein Kunststück, bei „geöffnetem Schlag“ aus dem Auto zu steigen. Und jede Frau hat wahrscheinlich hunderte verschiedener Möglichkeiten ausprobiert, um sich elegant aus einem Auto zu winden, zu schälen, zu heben, zu schrauben, zu schwingen. In jedem Fall muß sie zwischen zwei grundsätzlichen Choreographien entscheiden: Soll sie mit beiden Beinen gleichzeitig, oder zunächst nur mit einem Fuß Kontakt mit dem Bordstein aufnehmen?

Sechs Grundtypen von Aussteigerinnen stellt der beauty.at-Verhaltensforscher fest:

- Die Elegante   stellt erst das rechte Bein aus dem Auto und zieht dann das linke Bein blitzschnell nach (doch nicht immer schnell genug für Fotografen).

- Die Vorsichtige presst beide Beine zusammen und schwingt sie dann gleichzeitig aus dem Innern des Wagens. Ihre Hände behält sie dabei am Rocksaum, den sie während der Bewegung hinunterzieht.

- Die Schamlose beugt sich so weit vor, daß ihr Kinn ihre Kniescheibe zu berühren droht und der Rock über den Po rutschen kann . Exhibitionistisch freut sie sich über die Enge im Ferrari oder Porsche.

- Die Ungeschickte hält sich krampfhaft am Lenkrad fest, als fände sie hier eine Lösung ihres Problems. Um aus dem Autositz hochzukommen, stemmt sich dieser Aussteigerinnen-Typus sogar vom Lenkrad ab.

- Die Korrekte hebt ihre Beine gleichzeitig mit einem Schwung aus dem Auto.  Das erinnert leider mitunter an Querschnittslähmung. 

- Die Selbstbewußte klettert lässig aus dem Auto. Sie hat keine Lust auf verkrampfte Eleganz und vertraut ihrer blickdichten Strumpfhose.

Einer Typologie der Frauen muß eine der Autos folgen : Viele Fahrzeuge, so es SUVs betrifft, sind heute so hoch, dass die Aussteigerin sich aus ihnen fast abseilen muss. Hier kann der Schlitz am Rock unfreiwillig durch Reissen verlängert werden.

Andere Autos  wie Audi TT, BMW Z 3, Porsche und auch der von Frauen arg geliebte Mini wiederum liegen so flach auf dem Asphalt, dass die Bordsteinkante plötzlich so unüberwindbar hoch wird, wie es die Berliner Mauer einst war. Für welchen Fahrzeugtyp und für welche Art des Aussteigens sich eine Frau auch immer entschieden hat, eines ist klar:

Sie muß nicht nur aus etwas heraus, sie muß vielmehr durch etwas hindurch. Aus der Fahrgastzelle durch die enge Karosserieöffnung, jene Fahrzeugtür, in die Freiheit. Und dort, das wissen Frauen, lauern nicht immer nur Paparazzikameras, sondern viel, viel öfters voyeuristische Männeraugen. Ja, es gibt Männer, die scheinbar ach so höflich immer einer Frau die Autotüre öffnen und doch wollen sie dann nur das Eine. Und dabei starren dann so selig blöd auf die Beine der Frau wie Ochsen, die an einen elektrisch geladenen Weidezaun gerannt sind. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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