QUIET WORDS

Alltags-Betrachtungen von Pascal Morché

Der gute Hund

Flirtfaktor Haustier

Pascal Morché und Cookie© Pascal Morché

Mit einem Haustier ist das Flirten einfacher. Wer sich natürlich eine Boa constrictor imperator hält, sieht das wahrscheinlich anders. Der ist dann aber auch mehr der Typ Haustierbesitzer, den Ulrich Seidl im Film „Der Keller“ zeigt.

Ihr Kolumnist hofft, dass Sie diesen großartigen österreichischen Film gesehen haben. Falls nicht: nachholen! Aber hier geht’s ja nicht um Kino, und ich habe auch keine Riesenschlange im Keller, sondern lebe seit kurzem mit einem Hund. Zumindest zeitweise, die Familie betreibt „dog-sharing“. Unser Hund ist natürlich der bezauberndste und liebste Hund der Welt – bei Kindern würde man sagen „hochbegabt“. Oder kennen Sie ein Kind, das nicht hochbegabt ist? Mein Hund wiegt 13 Kilo, ist eine Mischung aus diversen Terriern, stammt aus Bulgarien ( Hilfe für bulgarische Pfoten aus Nessebar ). Das Tier ist nicht traumatisiert, nicht neurotisch, nicht hysterisch, einfach nur lieb. Mein Hund, übrigens eine Hündin, für mich aber „der“ Hund (vielleicht ist das Tier ja auch divers, wer weiß?), heißt Cookie. Farblich scheckig, wie diese kleinen Kekse, passt er zu meinem Tweed-Sakko; okay, der Name erinnert auch an diese blöde Botschaft, die einem auf Internet-Seiten immer entgegen springt „Cookies zulassen“. Also, ich lasse Cookie zu: die kalte Schnauze meines Hundes ist mir inzwischen lieber als die Kaltschnäuzigkeit meiner Mitmenschen. Und ja, Cookie  ist ein Flirtfaktor. Ganz im Gegensatz zur Boa constrictor. Übrigens auch ganz im Gegensatz zur beauty.at-Redaktionskatze Blunzi , die hier schon thematisiert wurde.

Früher habe ich Hundebesitzer weniger gemocht. Das waren für mich Feiglinge, die nicht den Mut haben, andere Leute selbst zu beißen. Inzwischen leiste ich Abbitte: Menschen mit Hunden sind zumeist freundliche Menschen. Wer morgens um fünf in der Frühe mit seinem Hund Gassi geht, trifft außer auf  Zeitungszusteller (eine, mit den Printmedien aussterbende Spezies) auf Hundebesitzerinnen (eine, mit der Vereinsamung prosperierende Spezies). Frauen im Morgengrauen, Frauen mit Hund um fünf Uhr: das ist Ehrlichkeit, das ist die ungeschminkte Wahrheit! Um diese frühe Uhrzeit ist keine Frau wie für ein Date mit Schminke hochgerüstet und sexy angezogen; da hängt der Schlaf noch in den Augen und der Mantel über der Jogginghose. Egal, wie das Wetter ist, wir alle wollen dann nur das Eine: Möglichst bald nach der warmen, weichen Masse greifen und das Sackerl für’s Gackerl füllen. Ich behaupte nicht, dass es mehr Freude macht, auf nüchternem Magen im Sand eines Katzenklos zu graben, selbst wenn man diesen Ort als Zengarten verbrämt.

Wenn man nicht gerade eine Kampfhund-Bestie auf der Reeperbahn oder den Hund von Baskerville Gassi führt, kommt man schnell ins Gespräch. Ein fröhliches „Guten Morgen“, oder auch nur ein genuscheltes „Morgn“ und schon entwickelt sich ein Tier-talk. Die erste Frage lautet meist: wie alt? Eine Eröffnungsfrage, die ein Mann einer Frau normalerweise nicht stellt, aber sie betrifft ja den Hund. Zweite Frage: Woher? Im politisch hochkorrekten Deutschland lernt man, dass diese herkunftsbezogene Frage „subjektive  Diskriminierung“ ist, aber hier betrifft sie ja den Hund. Wenn zwei Hunde sich dann be- und abschnuffeln, wird mir klar, dass ihre Nase und nicht wie bei mir, das Gehirn, ihr zweitliebstes Organ ist. Während sich dann die Hundeleinen der geliebten, um sich tanzenden Vierbeiner verknoten, beginnen auch die Hundehalter in konzentrischen Bewegungen um sich zu kreisen. Sie lachen und reden miteinander. Erstaunlich, wie leicht das Leben mit Hund ist. Man muss sich auch nicht gleich zu einem Cappuccino verabreden, denn nach dem Gesetz der Serie trifft man die selben Menschen am selben Ort zur selben Zeit von nun an immer wieder. Gassigehen ist angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie.

Auch meine Cookie ist irgendwie ein Therapiehund; eigentlich sind das ja alle Hunde. Mir wurde auch dringend zu einem Tier geraten, damit ich nicht mehr so einsam bin. Stimmt auch: Mit Cookie habe ich immer Ansprache. Zwar spricht der Hund mich nicht an, aber ich kann jemanden mit Hund ansprechen. Hunde verbinden. Ach, sähen (Konjunktiv) Sie Cookie, liebe Leserin, Sie verstünden mich (nochmal Konjunktiv). Natürlich: Männer, die einen Hund Gassi führen, das kann leicht ins Auge gehen. Ich meine jetzt nicht Extremfälle, also weder den tätowierten Strizzi mit Kampfhund am Stachelhalsband, noch jenen Sugardaddy (rote Hose, blaues Clubsakko mit Goldknöpfen), der seiner gebotoxten Gattin Kosmetikkoffer und Zwergpudel hinterher trägt. Herr und Hund, das muss (wie alles!) von der Proportion her passen. Auch in der Größe. Herr und Hund, das ist dann eine Liaison wie Thomas Mann und Bauschan, Faust und Pudel, Richard Wagner und Marke, (ihn und Blondi lass ich hier weg). Ich glaube fest daran: wenn eine Frau einen Mann mit Hund sieht (also mich mit Cookie), dann wird sie denken: Der kann kein schlechter Mensch sein. Das denke ich übrigens auch von einer Frau mit Hund. Genau das ist jenes Vorschussvertrauenspotenzial, auf dem man aufbauen kann, morgens um fünf am Grünstreifen beim Koten der Hunde.

Es ist doch so: Sieht man einen Menschen mit Hund, so versetzt man sich schnell in die Lage des Tieres, nicht in die des Menschen . Ich stelle mir jedenfalls vor, wie es dem Hund bei seinem Menschen geht – das ergibt für mich Rückschlüsse auf seine Besitzerin. Ist der Hund offensichtlich sehr, sehr glücklich mit seinem Frauchen, so will man doch als unglücklicher Mann mit ihm vielleicht sogar tauschen. Vielleicht geht es Frauen ja auch so. Männer mit Hunden suggerieren: Souveränität und Sensibilität, Verantwortungsgefühl und Zärtlichkeit. Ich finde, das sind doch auch ganz wunderbare Eigenschaften bei Mann und Frau. Wenn ein Mann eine Frau mit diesen Eigenschaften in seinem Leben aber nicht findet oder verliert, dann tut er gut daran, Franz von Asissi etwas abzuwandeln: Der Hund bleibt mir im Sturme treu, die Frau nicht mal im Winde. Ach, bin ich froh, dass ich Cookie habe.

#pascalmorche

ÜBER DEN AUTOR

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
eMail [email protected]

QUIET WORDS - Alle Kolumnen