QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Schön Griffig!

Ladies: Schützt Eure Hände! Tragt wieder Handschuhe – gerne bis zur Achselhöhle.

Meine wundervolle Chefredakteurin, die Erfinderin von beauty.at meinte: der Herbst kommt, es wird kühl, schreib mal über Handschuhe! Ich denke, meine Auftraggeberin wollte mit dieser Themenvorgabe nur verhindern, dass ich mich in dieser Kolumne mal wieder irgendwie erotisch äußere.

Handschuhe© Roeckl

Sie kennen mich inzwischen recht gut und wissen: Ich kann gar nicht anders. Da ist etwas pubertär-libidinöses in mir, dass nicht wegzutherapieren ist. Aber manche meiner LeserInnen (und ich) haben mordsmäßig Spaß an diesen erotischen Sidesteps. Warten Sie’s ab, die gibt’s auch hier. Aber nun zum Thema: Handschuhe gibt es seit 10.000 Jahren zum Schutz der Hände und natürlich gegen kalte Finger. Später, viel später wurden Handschuhe dann auch schmückendes Accessoire. Und hier beginnt das Trauerspiel.

Wer heute Handschuhe herstellt, hat ähnliche Probleme wie ein Produzent von Hüten, Gamaschen oder Teppichklopfern . Und wenn sich ein Unternehmen mit solchen Produkten dem Zeitgeist entgegenstellt, so verdient es unseren höchsten Respekt. Der wunderbare Handschuhhersteller Röckl zum Beispiel hat sich am eigenen Schopf aus der Insolvenz gezogen. Ich freue mich jedenfalls immer, wenn ich sehe, dass dieses Münchner Traditionshaus von 1839 seinen Shop auch in der Kärntnerstrasse in Wien weiterhin geöffnet hält und die Notwendigkeit  ebenso wie die Schönheit seiner Waren verteidigt. Denn für Handschuhe aus feinstem Kalbs- Hirsch- oder Haarschafleder sind die Zeiten düster. Oder tragen Sie Peccaryleder-Handschuhe? Also solche aus der Haut der kleinsten Art des südamerikanischen Wildschweins? Oder besitzen Sie diese Handschuhe, wie Audrey Hepburn sie in „Frühstück bei Tiffany“ trug? Also jene Handschuhe, die mondän und lang über den Ellbogen hinaus noch den halben Oberarm bedecken. Quasi Overknees für die Arme! Ein hocherotisches Accessoire, ohne das die Salondame der vorletzten Jahrhundertwende gar nicht denkbar war. Heute gehören solche langen Handschuhe, silbrig weiß schimmernd, nur noch zum Debütantinnen-Outfit beim Wiener Opernball. Alltagstauglich sind sie nicht. Bedienen Sie mal ein Smartphone mit Handschuhen. Eben! Alltagstauglich blieben überlange, bis zu den Schultern reichende Handschuhe (aus Plastikfolie) leider nur noch für den Besamer im Kuhstall.

Es ist leichter, reine Handschuhe als saubere Hände zu haben. Ich hoffe, dies ist nicht der Grund dafür, dass Frauen beim Handkuss den Handschuh anbehalten. Wenn Sie nicht unter einem Pilatuskomplex (googeln!) leiden, dann stimmt dieser Satz  auch. Es ist eben leichter, einen sauberen Körper als ein reines Gewissen zu haben. Handschuhe sind heute (oh Graus!) aus Goretex und der letzte, der sie als Schmuck trug, war Karl Lagerfeld (Requiescat in pace). Sie erinnern sich gewiss an seine schwarzen, mit Nieten besetzten Halbfinger-Handschuhe. Dabei hatte Punk Karl nur ein Element der Sporthandschuhe von Rennradfahrern und MMA-Boxern aufgenommen und modisch populär gemacht. Apropos Boxen: Ich finde bare knuckle boxing (besser nicht googeln!) ist ziemlich ultimativ. Aber bleiben wir bei jenen Menschen und Handschuhträgern, die uns näher stehen: Einbrecher und Chirurgen. Beide ziehen Handschuhe an, weil sie ihre Spuren verwischen wollen.

Handschuhe werden also immer bleiben . Aber leider eben nicht aus Spitze, feinstem Hirschleder, aus Samt oder Seide. Handschuhe sind heute, wie so vieles, auf’s Zweckmäßige reduziert: Zwar sind Autofahrerhandschuhe ziemlich antiquiert – außer man lenkt ein Bentley-Cabriolet durch die Toskana. Skifahren, Motorradfahren oder Golfspielen hingegen geht definitiv nicht ohne sie; wollene Handschuhe oder solche aus Lammfell wärmen im Winter, und wenn wir Einen von jenen Zweien verlieren, die wir für wenig Geld bei Zara oder H&M mitnahmen, so weinen wir dem entzweiten Paar keine Träne nach.

Doch verschiebt sich auch immer der Grund für den Gebrauch von Handschuhen. Hobbyköche, Griller und Extrem-Pork Puller untermauern die Bedeutung und Ernsthaftigkeit ihres Tuns heute gerne, indem sie schwarze Latexhandschuhe tragen. Das verleiht ihnen zwar etwas von der Aura eines Tatortreinigers, aber vielleicht hängt das ja sowieso (wie fast alles) zusammen. Vollkommen aus der Mode gekommen ist auch, jemanden zum Duell aufzufordern, indem man ihm einen Handschuh vor die Füße wirft. Vielleicht gibt es Menschen, die das Abhandenkommen dieser Geste ähnlich bedauern wie die Seltenheit  im Damensattel reitender Frauen. Ich gehöre nicht dazu. 

#pascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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