Chanel N° 5

Mythos und Wirklichkeit

Als Klassiker ist Chanel N° 5 längst zum Kult geworden, der erfolgreichste Damenduft aller Zeiten wird im 30 Sekunden-Takt verkauft und steht bei unentschlossenen Herren aufgrund seiner absoluten Treffsicherheit als Geschenk für die Dame des Herzens sehr hoch im Kurs. Und so begann die Geschichte von Chanel N° 5.

Am Anfang stand eine "Parfum-Idee"

1918 ist der Waffenstillstand unterzeichnet, der Alptraum des Großen Krieges beendet, die Lebensfreude kommt wieder zu ihrem Recht. Mademoiselle Chanel erlebt wie ganz Paris die Freude des zurückgekehrten Friedens. Am 22. Dezember 1919 läßt sie je­doch der Tod von Boy Capel, zweifellos ihre einzige wirklich große Liebe, zusammen­brechen. Ihre Freundin Misia Sert und deren Mann, José Maria Sert retten sie mit einer langen Italienreise aus der Krise.

Gabrielle Chanel

Mit dem Leben versöhnt trifft Gabrielle Chanel mit dem Großherzog Dimitri, Cousin des Zaren Nikolaus II, zusammen, der im Sommer 1920 ihr Liebhaber wird. Ihre Kreationen treten in die "russische Periode" ein, und niemand zweifelt daran, daß der Großherzog ihr Interesse für Parfum gefördert hat, das am Hofe der Zaren so geschätzt wird.

1921 ist Chanel in Frankreich und in den Vereinigten Staaten berühmt. Mit 38 Jahren beherrscht sie ihr kreatives Vokabular lückenlos. Mit Hüten, dann mit Kleidern und Accessoires hat sie einen Stil geschaffen: Die Linie siegt über die Ornamente. Für sie ist Verführung eine Frage von Persönlichkeit, des Ganges, der Ausstrahlung des gan­zen Wesens.

Es überrascht nicht, dass die Parfums ihrer Zeit sie nicht begeistern. Meistens sind es einblumige Düfte, zum Beispiel Rose oder Jasmin, die überhaupt nicht die Persönlich­keit der Frau ausdrücken. Sie ist weniger Modeschöpferin geworden, um etwas zu schaffen, was ihr gefällt, als um das aus der Mode zu bringen, was sie nicht mag. Sie beschließt, ihr Parfum zu kreieren, um jene Parfums aus der Mode zu bringen, die ihr mißfallen. Sie wendet sich damit an Ernest Beaux, einen Parfumschöpfer, der aus Moskau kam, wo er vor der Oktoberrevolution am Hof gearbeitet hat, und der für sie einen völlig neuen Duft erfindet.

Gabrielle Chanel

Ablehnung der Konventionen

Ein nicht definierbarer Duft, ein Name, der einem Industriekatalog entsprungen zu sein scheint, doch Mademoiselle findet Gefallen daran, die Spuren zu verwischen. Während die Flakons der 20er Jahre kleine Meisterwerke aus Kristall mit barocken und verschlun­genen Formen sind, wählt sie für ihr Parfum einen flachen Flakon wie man sie seiner­zeit in den Reisekoffern der Männer fand.

Ein puristischer Flakon aus transparentem Glas, praktisch und funktionell, der fest in einer Schachtel verpackt wird. Das Etikett soll rechtwinklig sein, auch hier keine Ornamente, weiß mit schwarzen Strichen. Gleiches gilt für die Schachtel aus Karton, weiß, mit einer schwarzen Paspel umrandet. Wie im­mer bei Mademoiselle - weniger ist mehr. Dieses Parfum wird man wirklich um seiner selbst willen lieben.

Erste Erfolge

Zum Sommeranfang 1921 ist ihr Parfum fertig, und Chanel entwickelt intuitiv ihre Ein­führungsstrategie: Neugier und Flüsterpropaganda. Sie beginnt damit, ihren Kundinnen und Freundinnen einige Flakons zu geben, und läßt sie glauben, es handle sich um ein Parfum, das sie zufällig bei einem kleinen Parfumeur entdeckt habe, dessen Name sie vergessen hat. In den Probiersalons versprühen die Verkäuferinnen den neuen Duft.

Chanel N° 5

Die Kundinnen sind von diesem neuen Parfum neugierig geworden, das keinem ande­ren gleicht, und wollen es kaufen. Kaufen? Aber ich verkaufe kein Parfum, meine Liebe! antwortet Mademoiselle nicht ohne Schalk. Als ihr nämlich Ernest Beaux, eine berühmte Nase der Zeit, ankündigt, dass ihre Produktion anlaufen kann, läßt sie ihre Kundinnen wissen, daß sie ihren Wünschen entgegenkommen wird.

N° 5 wird in der Rue Cambon, Paris, verkauft, und in den CHANEL-Boutiquen in Deauville und Biarritz. Ursprünglich als exklusives, für die Kundschaft von Mademoi­selle  vorbehaltenes Parfum gedacht, erzielt es einen sagenhaften Erfolg, und schon bald kann die handwerkliche Herstellung die Nachfrage nicht mehr befriedigen.

Auf Welteroberung

Mademoiselle Chanel kennt Théophile Bader, Vorsitzender und Gründer der Galeries Lafayette, seit der Zeit, in der sie Hutformen kaufte. 1923 stellt er ihr die Brüder Wert­heimer vor, Eigentümer der Marke Bourjois, die für ihn Schönheitsprodukte in ihrem Werk Pantin herstellen.

Das Treffen findet 1923 auf der Rennbahn von Longchamp statt, und im April 1924 wird die Gesellschaft "Les Parfums CHANEL" gegründet, welche die Parfums von Chanel in sorgfältig von Pierre und Paul Wertheimer ausgesuchten Häusern weltweit vertreibt. Parallel dazu werden "CHANEL Inc." in New York und "Parfums CHANEL Ltd." in London gegründet. Ernest Beaux wird technischer Direktor für die CHANEL-Parfums und Berater bei Bourjois. Außer N° 5 verdanken wir ihm Cuir de Russie (1924), Gardenia (1925) und Bois des Iles (1926).

Von nun an in ausreichender Menge hergestellt und in einem internationalen Netz von Parfümerien vertrieben, beginnt N° 5 seine Laufbahn als "Jahrhundertparfum". Die Frauen erkennen sofort die Welle der Moderne. Ebenso die Fachleute, die sich darüber einig sind, dass es in der Geschichte der Parfümerie ein "vor N° 5" und ein "nach N° 5" gibt.

DER MODERNE MYTHOS

N° 5 ist sehr schnell zu einem großen Geschäftserfolg geworden und ist auch heute noch das weltweit am meisten verkaufte Parfum. Aber es ist mehr - ein lebendiger Mythos, eine Gebilde der kollektiven Phantasie, das Zeit und Raum durchquert, Träger eines Traums, der Sehnsüchte "kristallisiert".

Die Dimension des Kunstwerks
Ritual der Weiblichkeit
Abenteuer für die Nase - Der Duft
Das Eau de Parfum N° 5

Qualität und Tradition der Haute Parfumerie
Der Flakon
Botschaften der Phantasie