Parfumflakons als Ikonen
Von Laura Biagiotti bleibt eine Säule. Geschaffen von Herrn Schmidt!
Die italienische Modedesignerin Laura Biagiotti ist tot. „Viel zu früh“, mit „nur“ 73 Jahren. Mit ihr entschwand eine weitere Ikone der italienischen Mode der späten 1970er und frühen 1980er-Jahre. Krizia, Missoni, Cerruti, Fendi, Ferragamo oder Valentino; Armani, Versace, Ferré, Moschino und Dolce & Gabbana. Was (und vor allem wer?) von diesen großen Namen der italienischen Haute Couture, der Alta Moda Italiens ist geblieben? Die Gründungsväter und –mütter dieser bedeutenden Modeunternehmen, sie sind meist schon tot. Die Marken leben weiter, häufig eher kaufmännisch denn kreativ geführt – und sicher nicht immer so, wie ihre Gründer sich das vorstellten.
Laura Biagiotti, die „Queen of Cashmere“, war eine Ausnahmeerscheinung, gerade auch weil ihre Mode nicht nur für Damen mit Modelmaßen erdacht war. Und doch: Hört man den Namen Laura Biagiotti, dann taucht vor dem geistigen Auge vieler Frauen zunächst eine fragile gläserne Säule auf, ein Flakon im Antik-Stil, gefüllt mit orangefarbener Essenz.
Das Parfüm ROMA, von der Designerin 1988 als Hommage an ihre Heimatstadt lanciert, trat einen wahren Triumphzug um die Welt an. Die klassisch-markante Komposition aus schwarzer Johannisbeere und sizilianischer Bergamotte mit Ambra, Vanille und Sandelholz sicherte Laura Biagiotti einen Ehrenplatz in der Liste der erfolgreichsten Parfüms aller Zeiten. ROMA - ein passender Name, umweht den Klassiker doch ein Hauch von Ewigkeit und zählt heute neben "Chanel No. 5" zu den bekanntesten Düften der Welt.
Um die optische Präsenz zu sichern, wird ein Parfumflakon mindestens ebenso aufwändig gestaltet wie die Zusammensetzung des Duftes. Im besten Fall sind sie kleine Kunstwerke, Skulpturen aus Glas, die den Charakter seines Inhaltes – durchaus zielgruppenorientiert – kongenial in eine Form gießen.
Es ist noch nicht so lange her, daß die Form eines Parfumfläschchens eine wichtige Rolle spielte. Klug designte Flakons sind eine relativ junge Entwicklung in der mehrere tausend Jahre alten Parfumgeschichte. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Parfums recht banal in dünnen, reagenzglas-ähnlichen Gefäßen verkauft. Der berühmte Bienen-Flakon, in dem Guerlain ab 1853 sein »Eau de Cologne Impériale« anbot, war einer der ersten, der das Luxusprodukt Parfum mit dem ästhetisch durchdachen Luxusobjekt Verpackung verband. Auch die legendäre Flasche von »Chanel N°5« aus dem Jahre 1921 war keine extravagante Kreation, sondern das damals gebräuchliche Behältnis für Düfte.
Daß weniger oftmals mehr ist, bestätigt sich am Beispiel des „Chanel N°5“-Flakons ebenso wie bei gläsernen Kreation für den wundervollen Herrenduft „Knize 10“, dessen schlichten Flakon mit Facettenschliff an den Kanten niemand Geringer als der österreichische Architekt und Designer Adolf Loos zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwarf. Loos sah in Schnörkeln und Verzierungen „Ornament und Verbrechen“ – dementsprechend schlicht und zeitlos mutet denn auch das Fläschchen von „Knize 10“ an. Und auch bei der kleinen runden, ästhetisch ewig gültigen Phiole von „Aqua di Parma“ zeigte Loos seine Liebe zu Schlichtheit und Purismus.
Heute sind Flakons eines der wichtigsten Marketingwerkzeuge der Beautyindustrie. Diese kleinen gläsernen Botschafter vermitteln Emotionen, lenken die Kaufentscheidung und verankern das Produkt im Unterbewußtsein des Käufers. Vergessen ist die Tatsache, dass ein Flakon zunächst nichts anderes ist, als die simple Verpackung einer duftenden Flüssigkeit. Am Ende bleibt eben sie in Erinnerung (zumal bei etwas derart Flüchtigem wie einem Duft).
Beispiele dafür gibt es viele. Thierry Mugler! Wir sehen, ja fühlen den gezackten Sternflakon; Jean Paul Gaultier! und schon erinnern wir uns an den von Elsa Schiaparelli’s Parfumflakon für SHOCKING aus dem Jahre 1937 inspirierten Corsage-Flakon. Verpackung ist alles, bald mehr als der Inhalt und manchmal ebenso wertvoll.
Industriedesigner sind Verpackungskünstler. Hochkreative Menschen, die doch letztlich im Verborgenen bleiben. Da gibt es zum Beispiel Peter Schmidt. Er ist einer der ganz Großen – und letztlich Unbekannten. Dabei macht Peter Schmidt – er wird dieses Jahr 80 Jahre alt – mit seiner Peter Schmidt Group Marken zu Ikonen und Produkte mitunter zu unverwechselbaren Fetischen. Peter Schmidt gestaltet Verpackung - und damit sehr oft auch unser Leben.
1937 wurde Schmidt in Bayreuth geboren (ja, er ist Wagnerianer, aber einer der angenehmen Sorte). Nach seinem Studium kam er nach Hamburg, wo er 1972 die Peter Schmidt Studios ins Leben rief, die er über 30 Jahre leitete und aus denen die Peter Schmidt Group hervorging.
Peter Schmidt war und ist auf vielen Gebieten international stilprägend. So ziemlich jeder hatte schon eine Kreation von ihm in der Hand. Die Bandbreite seines Schaffens reicht vom Packaging von Mettwurst, Bonbons oder Mineralwasser bis zum das Corporate Design von Linde, AEG oder der Deutschen Lufthansa; Schmidt gestaltet Bücher, berät Unternehmen, entwarf eine blaue zarte Welle unter dem Hamburger Stadtwappen und schuf auch noch für Freund John Neumeier das eine oder andere Bühnenbild für ein Ballett.
Aus den Anfangsjahren des Designers, den 80ern des längst vergangenen 20. Jahrhunderts stammen weltberühmte Parfumflakons. Neben anderen entwarf Schmidt jene für die Düfte JIL SANDER WOMAN oder DAVIDOFF COOL WATER. Der Parfum-Klassiker ROMA von Laura Biagiotti erblickte 1988 das Licht der Welt und verführte die Nasen der Menschen. Die olfaktorische Liebeserklärung an die Heimatstadt der Designerin war in einem Flakon verborgen, der einer römischen Säule nachempfunden war. Sein Schöpfer: Peter Schmidt! Und wenn Laura Biagotti's Name das Bild der kleinen gläserne Säule erzeugt, so haben wir das Herrn Schmidt zu verdanken.
Pascal Morché