Der beseelte Schuh
Die Symbolik des Auftritts
Ein paar Zentimeter machen den Unterschied: sie rauben Männern den Verstand und Frauen den Inhalt ihres Portemonnaies. Schuhe, besonders High Heels, zählen zu den gar nicht so geheimen Waffen einer Frau. Sie verlängern die Beine, verändern die Körperhaltung und optimieren das Selbstbewusstsein. Größe, Gang, Haltung und Auftritt wird in nicht geringem Maße vom Schuh bestimmt, durch ihn zeigt sein Träger auch seinen Status.
Ein Blick in die Geschichte: Schuhe sind seit Jahrtausenden fester Bestandteil unserer Garderobe und waren dabei schon immer mehr als nur „Fussbekleidung“. Ein Gegenstand - beseelt durch den Fuss seines Besitzers; er entwickelte ein Eigenleben und avancierte zum Symbol für Stärke, Macht und Erotik.
Aus den einfachen Lederstücken, die in der Steinzeit um den Fuss gewickelt wurden, über die Sandalen der Antike und die Holzpantoffel des Mittelalters entwickelte sich neben der Schutzfunktion auch seine modische Komponente. Sie gab stets Auskunft über den gesellschaftlichen Status des Beschuhten. Im Griechenland der Antike und später auch im Römischen Reich wurde die Verzierung von Sandalen mit Juwelen per Verordnung geregelt.
Im Mittelalter definierte die Spitzenlänge der Schnabelschuhe die Standeszugehörigkeit des Schuhträgers, im Barock und Rokoko war es die Farbe der Absätze. Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert markierten Herrenschuhe aus feinem Kalbsleder, daß ihre Träger der gesellschaftlichen Oberschicht angehörten.
Nicht ganz geklärt ist die Herkunft des Absatzes . Neben dem Größengewinn soll sich der Absatz im Mittelalter aus der Notwendigkeit entwickelt haben, sich vor Strassenschmutz zu schützen, da es keine Kanalisation gab. Interessant sind auch die im 16. Jahrhundert in Spanien und Venedig entstandenen Zoccoli bzw. Chopinen. Der Reiz dieser bis zu 40 cm hohen Sockelschuhe ist offenbar immer noch so groß, daß ihnen in den vergangenen Jahren von Fashion-Ikonen wie Daphne Guinness und Lady Gaga immer wieder neues Leben eingehaucht wurde.
Im 17. Jahrhundert setzten sich in Europa Schuhe mit Absätzen durch. Den Männern boten sie die Möglichkeit, größer und imposanter zu erscheinen, den Frauen verschaffte der Absatz aufgrund der dadurch veränderten Körperhaltung und Beckenstellung eine Betonung ihres Dekolletes und einen erotischeren Gang.
Weibliche Schuhmode wurde etwa ab 1870, mit dem Kürzerwerden der bis dato bodenlangen Röcke und der damit verbundenen Sichtbarkeit des Fußes, erstmals in größerem Umfang thematisiert. Die 1920er und frühen 1930er Jahre waren von der Einführung des Halbschuhs und dem Übergang zum modischen Gebrauch gekennzeichnet , vor allem bei Frauen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Schuhe durch günstige Herstellungsverfahren deutlich preiswerter, weshalb sich Konsumenten häufiger neue Schuhe leisten konnten und sich die Schuhmode in immer kürzer werdenden Zyklen wandelte. Insbesondere die Damenschuhmode ist seitdem von wechselnden Moden stark geprägt
Der Schuh als Lifestyle-Fetisch
Die von Schuhen ausgehende Erotik inspirierte stets Designer. Elsa Schiaparelli schuf in Zusammenarbeit mit Salvador Dali 1937 den aufsehenerregenden Schuh-Hut. Auch im Design von Parfumflakons war Schiaparelli federführend. Für ihren Duft SHOCKING entwickelte sie jene Büstenform, die Jahrzehnte später Jean Paul Gaultier für seinen Duft CLASSIQUE neu interpretierte. Auch Modedesigner Jacques Faths erlag dem Zauber des Schuhs. Die Inspiration für seinen Duft RED SHOES lieferte ein Ballettfilm.
Die Kombination von Schuh und Parfum haben sich so manche Designer nicht entgehen lassen. Liebhaber edler Maßschuhe pilgern zu Roberto Ugolini nach Florenz. Dort finden sie nicht nur atemberaubendes Schuhdesign, sondern auch seine Parfums wie BLUE SUEDE SHOES, LOAFER oder KITTEN HEELS, welche die Geschichten seiner „Kunstwerke“ erzählen.
Keinesfalls dürfen Schuh-Designer wie Jimmy Choo und Christian Louboutin unerwähnt bleiben. Denn auch hier gilt: wer sich den Schuh nicht leisten kann, greift gerne zum Parfum.
Die perfekte Kombination von Optik und Ephemere schuf die venezolanisch-amerikanische Designerin Carolina Herrera . Im Jahr 2016 erschien ihr Damenduft GOOD GIRL im Stiletto-Flakon, der das selbstbewusste, High Heels-bewehrte Frauenleben propagierte. Der Name darf als gewisse Ironie betrachtet werden. Und mit den richtigen Schuhen lässt sich durchaus die Welt - oder zumindest ein Teilchen davon - erobern.