Meditation im Wüstensand
Auf dem Weg durch die Sahara zu sich selbst
Stille, Weite, Schweigen, Nichts Tun - einfach Sein? Schafft der zivilisationskranke Mensch, seine Emotionen zu erkennen und zu akzeptieren ? Kann ein Aufenthalt in der Wüste, verbunden mit Mediation und Stille, unseren Geist und Körper wieder ins Lot bringen, Stress und Krankheit von uns nehmen? Folgen Sie diesem subjektiven Reisebericht über meditative Arbeit und emotionale Selbstheilungsprozesse in der Sahara.

Im Einklang mit der Natur
Das Wissen um die Harmonie von Geist, Körper und Emotionen als Voraussetzung für Leistungsfähigkeit, Schönheit und Gesundheit findet sich als fester Bestandteil fast aller Kulturen.
Die verschiedenen Wege zu dieser Harmonie sind geprägt von unterschiedlichen Denkansätzen, zumeist spielt dabei das Verhältnis zwischen Mensch und Natur eine wichtige Rolle. Jeder Stamm, jedes Volk hat seine spezifischen Kraftplätze in der Natur gefunden.
Moderne Wissenschaften wie die Humanökologie beschreiben die Interaktion zwischen Mensch und Natur als ganzheitliches System, beide als Partner einer gemeinsamen Entwicklung.
Eine bessere Gesundheit von Menschen an Orten, in denen Natur, Landschaft und menschliche Kultur ästhetisch und nachhaltig in Einklang stehen, ist wissenschaftlich anerkannt.
Wege in die Wüste
Gerade die Wüste ist ein Ort solcher starker Einflussnahme auf den Menschen. Hier hat der Kampf um die bestmögliche Nutzung der geringen Ressourcen wie Wasser oder Nahrung sowie harte Umweltbedingungen ein sensibles, aber auch hochentwickeltes Ökosystem geschaffen.

Pflanzen und Tiere der Wüste mussten besondere Anpassungsfähigkeiten entwickeln, um hier gedeihen zu können, wie das erstaunliche Beispiel von Tamarisken zeigt.
Diese Bäume trotzen nicht nur dem Sand der Sahara, sondern auch dem Salz, welches an den Blättchen wieder ausgeschieden wird.
Der Mensch lernt an diesem Ort, seine Sinne zu schärfen. Gefangen genommen von den Eindrücken und der Konzentration auf seine Umgebung erfährt man eine bessere Konzentrationsfähigkeit auf Wesentliches und eine erstaunliche Klarheit von Gedanken und Emotionen. "Die Wüste reinigt Seele und Geist. Ihre Wahrheit offenbart sich in der Stille" beschreibt ein altes nomadisches Sprichwort.
Angenehmes Nebenprodukt dieser Anpassung ist das Vergessen üblicher Zivilisationsprobleme wie Rückenverspannungen oder Verdauungsprobleme.
Geographie und Nomaden
Um diese Kräfte zu nutzen besuchen wir in Begleitung von Margit Satyana, Expertin für Selbstheilungsprozesse, eines der kraftvollsten Wüstengebiete - die Sahara nahe von Douz in Tunesien.

Unsere Anreise ist einfach und bietet eine harmonische Einstimmung auf die neuen Erfahrungen. Tunesien ist zwar hauptsächlich für seine Sandstrände und mediterranes Klima bekannt, doch im von der Sahara geprägten, sonnenverbrannten »Großen Süden« ziehen sich Gebirgs-, Steppen- und Wüstenlandschaften bis an die algerische und lybische Grenze.
Im Anschluß an den Direktflug von Wien nach Djerba können bei einer Fahrt im Jeep durch die kargen, zerklüfteten Berglandschaften Berberbauten sowie Wohnhöhlen bei Matmata besichtigt werden.
Das Wort Berber bedeutet „Bärtiger“ und wurde von den Römern übernommen, welche damit alle Menschen bezeichneten, die nicht die lateinische Sprache beherrschten. Viele Berberstämme Nordafrikas leben bis heute halbnomadisch, der Karawanenhandel hat bis jetzt die Existenz gesichert.
Abschied von der Zivilisation
Nach einer Übernachtung in einem der luxuriösen Hotels in Tozeur im typischen Lehmburgenstil mit ornamentalem Dekor geht es per Jeep hinein in den Sonnenaufgang in der Salzwüste des Schott El Djerid. Hier wurden Salze, Gips und anderen Sedimente aus den Gebirgen in eine abflusslose Senke geschwemmt.

Nach Regenfällen sind große Teile des Schotts überflutet, doch zumeist ist das Wasser verdunstet und das Salz blüht.
Wer nicht bereits durch Erinnerungen an Karl May‘s Schilderungen von im Salz untergehenden Karawanen sensibilisiert ist, dem verhilft das von der endlosen Salzfläche und Hitze getriebene Spiel von Licht und Farben zu ganz persönlichen Fata Morgana- Eindrücken. Der Sonnenaufgang eröffnet dazu sein ganz besonderes Farbenspiel.
Hier unterstreichen die "Zähne Allahs", bizarre, windgeformte spitze Sandformationen die starke Verbindung zwischen Natur und Spiritualität.
Alte Aufzeichnungen berichten auch von einer untergegangenen matriachalischen Amazonenkultur in diesem Raum. Im Souk von Douz haben wir das in der Wüste unentbehrliche Kopftuch der Nomaden als Schutz gegen Sand, Wind und Kälte besorgt.
Tradition und Lebensfreude
In Sabria schließlich erreichen wir die äußerste Grenze zur Wüste. In dem kleinen Ort leben 5 nomadische Großfamilien, ihnen hat die Regierung hier Land geboten, um Landwirtschaft wie etwa den Anbau von Dattelbäumen zu betreiben. Man findet hier vor allem Frauen und Kinder der letzten Generation jener Nomadenstämme, welche zuvor in der Wüste lebten und diese durchwanderten. Das überlieferte Wissen vieler Generationen wird hier weitergegeben und die Männer des Dorfes, wie unser Führer Brahim und seine verwandten Helfer, betrachten nach wie vor die Wüste als ihre Heimat und sich selbst als Nomaden. Sie kennen die Wege, Orte und Gefahren der Wüste und sie haben sowohl die Orientierungsmöglichkeiten als auch die Fähigkeiten, in der Sahara zu leben.

Eindringlich verweisen sie auf ihr schönes, friedvolles Leben und die Möglichkeit, moderne Hilfsmittel wie Mobiltelefone mit ihrem traditionellen Lebensstil zu verbinden.
Höflich, freundlich, zuvorkommend und sorgfältig achten Sie auf unsere Wünsche und Sicherheit. Mit der ihnen eigenen Freude an detaillierten, besonders ausgeschmückten Schilderungen bringen sie uns die Beziehung zwischen Wüste und deren Bewohner nahe.
Voll Stolz lassen sie uns teilhaben an ihrem Leben und zeigen, wie wohlschmeckendes Brot in der Wüstenerde mit der heißen Asche des Feuers gebacken werden kann. Sie erklären, wie Orientierung selbst in den Dünen der Wüste möglich wird, wie die morgendlichen Spuren der Tiere im Sand über die Geschehnisse der Nacht Aufschluss geben oder welche Geschichten die Grabmäler von Marabouts, den wohltätigen Heiligen, über Spiritualität und Glauben der Menschen erzählen.
Diese Söhne der Wüste sind es auch, die uns fortschrittsgetriebenen, naturblinden Europäern kurzfristig eine kraftvolle Auseinandersetzung mit der Wüste ermöglichen. Und ihre freundschaftliche Verbindung zu Margit Satyana, unserer Meditationsexpertin, öffnet uns die Tür zu einer neuen Lebenserfahrung.
Wüstencamp oder Kameltrekk
Das Wüstencamp liegt einige Kilometer südlich von Sabria, inmitten traumhafter Sanddünen und besteht aus einigen wenigen Nomadenzelten für zwei bis drei Personen.

Das Leben ist denkbar einfach, ebenso die Nahrung, welche typischerweise aus Hülsenfrüchten besteht, wohlschmeckend mit würzigen Kräutern angereichert. Die tägliche körperliche Bewegung unterstützt das Wohlbefinden.
Ein heiliger Baum auf der höchsten Düne bildet den Orientierungspunkt für individuelle und spontane Wanderungen in den schier endlos scheinenden Sandebenen - allein mit sich selbst, mit allen Ängsten, Fragen und dem Vertrauen in den eigenen Weg durch die Dünen.
Wer den Kameltrekk wählt, steuert jeden Abend einen anderen Ort an, jedesmal Plätze von starker Ausdruckskraft. Sattel und Decken bilden ein gemütliches Lager zum Erzählen von Geschichten, für Musik, Tanz und Meditationen am Abend.

Zwar wird ein Gemeinschaftszelt aufgebaut, aber niemand lässt es sich nehmen, im Schlafsack auf der eigene Düne den Weg der Sterne, die Stille und die einsetzende Morgenröte zu verfolgen.
Die meditative Arbeit von Margit Satyana bildet das zentrale Element dieser Touren, egal ob im Wüstencamp oder im Rahmen eines Kameltrekks. Als ausgebildeter Journey Practitioner und erfahrene Expertin für emotionale Selbstheilungsprozesse unterstützt sie auf dem Weg des mediativen Selbstverstehens.
Von kontinuierlicher intensiver Arbeit über gelegentliche naturverbundene Meditationen für Interessierte bei Kameltouren bis hin zu offenen Gesprächen über persönliche Probleme geht sie auf unterschiedliche Wünsche ein.
Erfahrung und Emotionen
Nach erstaunlich kurzer Zeit hat uns die Wüste so stark in ihren Bann gezogen, dass die üblichen Gedanken und Sorgen aus unserem Leben in den Hintergrund gedrängt waren, die Konzentration auf den Augenblick gesteigert und Empfindungen und Gedanken klarer wurden.

Der Wüstenwind hat uns den Sand solange durch unsere Kleider getrieben, bis wir die Gegenwehr aufgaben und lernten zuzulassen.
Die Trommeln und Flöten unserer Nomadenfreunde am Lagerfeuer ließen unser Schweigen zum beredten Ausdruck unserer Gefühle werden. Die im täglichen Leben zumeist gut gehüteten Geheimnisse persönlicher Schwächen wurden Gegenstand gemeinsamer Arbeit. Nächtlich im Schlafsack, alleine auf einer Düne liegend, ohne gewohnte Abgrenzungen erlaubten unsere Ängste vor den Gefahren der Wüste uns so lange keinen Schlaf, bis wir genügend Vertrauen zu uns und zu den klar funkelnde Sternen über uns fanden.
Den Weg zu erkennen und zu finden, war und ist stets zentrale Notwendigkeit jedes Wüstenreisenden. Die wechselnden Formationen der Dünen und Muster im Sand, getrieben durch den steten Wüstenwind stärken die Konzentration. Das Erkennen von kaum sichtbaren Zeichen wie jener unscheinbare Busch, der erst bei genauerer Ansicht seine kleinen rosaroten Blüten mitten im Sandmeer offenbarte, schärfte den Blick. Und das nächtliche Beobachten der wandelnden Sternenbilder trug dazu bei, Klarheit für den persönlichen Weg zu finden und notwendige Entscheidungen zwischen oftmals widersprechenden Werten unseres Lebens zu ermöglichen.
Autor: Dr. Alexander Haslberger